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Bekanntes in Asylbroschüre zensiert

■ Freiwillige Selbstzensur des UN-Flüchtlingskommissars gegenüber der Bundesregierung

Genf (taz) – „Federal Republic of Germany: Guarding the Gate“ steht auf dem Zeitschriften-Titelbild, das ein dunkelhäutiges Kind hinter dem Gittertor der Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber in Karlsruhe zeigt. Doch die weltweit 138.000 Abonnenten und Empfänger der englisch- und französischsprachigen Monatszeitschrift Refugees des Genfer Hochkommissariats für Flüchtlinge werden das Titeldossier über die Situation von Flüchtlingen und Asylbewerbern in der Bundesrepublik nicht lesen. Am Montag dieser Woche untersagte Hochkommissar Jean-Pierre Hocke die Auslieferung und ließ sämtliche Exemplare verbrennen. Die Lektüre eines der wenigen Vorausexemplare, das der taz vorliegt, liefert keine befriedigende Erklärung: Ein sachlich-kritischer Bericht über die im letzten Jahr veränderten Asylbestimmungen in der Bundesrepublik, ein historischer Rückblick auf die Flüchtlingssituation nach 1945 und eine Reportage über die drei Aufnahmestellen in Zirndorf, Karlsruhe und Freiburg. Nichts, was nicht schon in der Bundesrepublik mit sehr viel kritischerem Unterton veröffentlicht worden wäre. Dazu ein bereits vom UNO-Büro in Bonn veröffentlichtes Interview mit Friedrich Zimmermann, in dem der Bundesinnenminster ausführlich seine Position schildert, Stimmen von Bundestagsab geordneten aller Parteien und ein Gespräch mit dem Vertreter des Hochkommissars in der Bundesrepublik, Rene van Rooyen. In diesem lobt er Bonn, den mit 42 Millionen Dollar 1987 drittgrößten freiwilligen UNHCR-Zuschußgeber, äußert sich aber auch besorgt über die schon erfolgten und noch geplanten Verschärfungen der Asylbestimmungen in der Bundesrepublik. Bei UNO-Mitarbeitern und Vertretern der UNO-Botschaften wuchern inzwischen die Spekulationen über Gründe für diesen Zensureingriff. Es wird auf die Reise des Hochkommissars Anfang November nach Bonn zu Gesprächen mit dem Innen- und Außenministerium verwiesen. Die Bonner Mission in Genf jedenfalls hat nach Auskunft von Pressesprecher von Alvensleben bis zur Anfrage durch einen Journalisten am Mittwoch „keinerlei Kenntnis“ von dem ganzen Vorgang gehabt. Die Gespräche Hockes in Bonn seien „sehr positiv“ verlaufen. Auch einen Eingriff direkt aus Bonn kann sich von Alvensleben „nicht vorstellen“. Nahrung für einen derartigen Verdacht hatte Hocke jedoch selber geliefert, eine Stellungnahme gegenüber der Öffentlickeit bislang abgelehnt. Seine einzige Erklärung gegenüber der überrumpelten Redaktion lautete: „Die Veröffentlichung dieses Dossiers ist zur Zeit nicht angebracht.“

Beobachter weisen darauf hin, daß bereits vor Jahren, noch zu Zeiten von Hockes Vorgänger Hartling, die Beziehungen zwischen Bonn und dem Hochkommissariat einmal schwer belastet gewesen seien und dies bezüglich der Kritikfähigkeit gegenüber der Bundesregierung bis heute fortwirke. Damals waren in einem hausinternen Papier die Unterbringungsbedingungen von Asylbewerbern mit denen von Konzentrationslagern der Nazis verglichen worden. Andreas Zumach

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