: Heiße Atommüll-Fracht heute im Lübecker Hafen
■ Brennelemente werden auf schwedisches Spezialschiff verladen / Keine Genehmigung für Atomtransport aus Kahl / Oberverwaltungsurteil: Hafen für Atommüllverschiffung öffnen
Lübeck (taz) – Die beiden Atommüll-Transporte aus Obrigheim und Gundremmingen werden in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch im Lübecker Hafen auf das schwedische Spezialschiff „Sigyn“ verladen. Die Stadtverwaltung Lübeck scheiterte auch vor dem Oberverwaltungsgericht in Lüneburg mit ihrem Versuch, die Atommüll-Transporte über ihren Seehafen zu stoppen. Allerdings: Der dritte Transport von Kahl nach Lübeck scheint vorerst ge platzt. Nach Angaben der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig sei dieser Transport definitiv nicht genehmigt worden.
Die örtlichen Bürgerinitiativen in Kahl blieben dennoch mißtrauisch und gingen zunächst von einem möglichen Transport aus. Sowohl in Obrigheim als auch in Gundremmingen ist die brisante Fracht am Montag verladen und auf den Weg gebracht worden. Der Transport wird nun allerdings nicht über die Straße führen, sondern über das Bundesbahn- Schienennetz abgewickelt werden. Nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts ist nun auch juristisch der Weg frei für den Umschlag der Mischoxid- Brennelemente (Mox).
Die Betreiber des Versuchsreaktors in Kahl bemühten sich offenbar bis zuletzt, ihren MOX-Brennelement-Transport doch noch genehmigt zu bekommen, doch die PTB verweigerte auch gestern die Genehmigung. Somit kann die rechtliche Vorschrift, den Transport 48 Stunden vor Abwicklung der Atomrechtlichen Landesbehörde zu melden, nun nicht mehr eingehalten werden. Wie die PTB dazu erklärte, müsse der Kahl- Transport verschoben werden. Henning Pachel, Abteilungsleiter für Entsorgung in Kahl, soll sich bereits mit der schwedischen Reederei SKB, der die „Sigyn“ gehört, in Verbindung gesetzt haben, um einen neuen Termin zu vereinbaren. Nach Auffassung von Pachel hat das Zurückhalten der Genehmigung aus Braunschweig politische Gründe. Pachel: „Die PTB will wohl erst einmal abwarten, was Bundesminister Töpfer am Mittwoch in seiner Grundsatzerklärung vor dem Bundestag sagen wird.“
Auch die angekündigten Blockade-Aktionen können möglicherweise ein Grund für die Verschiebung sein. Der Kahl-Transport sollte auf der Straße stattfinden, wogegen die Transporte von Obrigheim und Gundremmingen überwiegend mit der Bahn abgewickelt werden. Der dritte Senat des OVG in Lüneburg hatte am Montagmorgen die Beschwerde der Stadt Lübeck zurückgewiesen. Die Lüneburger Richter schlossen sich der Auffassung ihrer Schleswiger Kollegen an, und erklärten die Stadt Lübeck nicht für kompetent, weitergehende, bereits erteilte Genehmigungen der PTB einzuschränken beziehungsweise aufzuheben. Die Gesellschaft für nukleare Serviceleistungen (GNS) und die NTL, eine Tochter der Hanauer Transnuklear, sind bereits seit Juni 1987 im Besitz der Transportgenehmigungen für MOX-Brennelemente. Diees Genehmigung läuft erst wieder im Juni dieses Jahres aus. Was den Abtransport der Brennelemente aus Kahl angeht, besaß nur Transnuklear entsprechende PTB-Genehmigungen.
Die Hanauer Skandalfirma hat gegenwärtig aber ein Transport- Verbot. Eine Reaktion der Stadt Lübeck war gestern nicht zu bekommen. Pressesprecher Westphal gab lediglich bekannt, das sich das Rechtsamt der Stadt Lübeck noch einmal Buchstabe für Buchstabe mit den erteilten Ge nehmigungen durch die FTB auseinandersetzen werde. Ferner kommt der Lübecker Senat heute um 11 Uhr zu einer Sondersitzung zusammen. Ob dabei noch mit möglichen Beschlüssen zu rechnen sei, ließ Westphal offen.
Plutonium auf Reisen
Der Brennelemente-Transport von Obrigheim war am Montag morgen um 1 Uhr abgefahren. In einem angeblich absolut sicheren Bahncontainer geht es kreuz und quer durch die Republik. Mitten in der Nacht schrillte bei eingeweihten Journalisten und Mitgliedern des Anti-Atom- Bündnisses das Telefon: Es geht los, meinte eine freundliche Frauenstimme, Treffpunkt Heidelberg, in einer Stunde. Gut zwanzig Frauen und Männer waren schon da, und was die Wohnung außer leeren Kaffeetassen hinter herabgelassenen Jalou sien verbarg, glich einer perfekten Einsatzzentrale für die Transportüberwachung von Kernbrennstäben. Da huschten Informationen aus einem bundesweiten Datenfernübertragungsnetz über den Bildschirm des Personal-Computers.
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