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Pfiffige Konkurrenz „schaffte“ McDonalds

Auf der Lister Meile in Hannover wurde das gelbe „M“ auf rotem Grund wieder abmontiert / Hand-Pizzas „Mäc-Giros“ und „Big Souflaki“ waren zu starke Konkurrenz / Trendwende oder einmaliger Vorgang? / Auch Seniorenprogramm half dem cleanen Imbiß nicht  ■ Von Walter Schoendorf

Es ging alles sehr schnell und planmäßig. Kaum hatte der letzte Gast gegen 20 Uhr seinen „Big-Mäc“ verdrückt, beherrschte hektische Betriebsamkeit das McDonalds Restaurant in der belebten „Lister Meile“. Mit langen Papierbahnen wurden die großen, ebenerdigen Fenster zugeklebt, das schwungvolle gelbe „M“ auf rotem Grund abmontiert und die Fahne eingeholt. Ein Plakat verwies nüchtern auf die immerhin fünf verbliebenen Filialen in Hannover: „Wir freuen uns auf Ihren Besuch!“. Kein Wort von Geschäftsaufgabe oder Bedauern kommentiert diesen bisher einmaligen Vorgang. Was anderen Tags die Anwohner und vorallem die Kids in ungläubiges Erstaunen versetzte, war in Geschäftskreisen rund um die „Lister Meile“ schon längst bekannt.

Die „Lister Meile“ ist mit ihren 15 Jahren nicht nur eine der ältesten, sondern auch eine der beliebtesten Fußgängerzonen Norddeutschlands. Der U-Bahnbau und eine umsichtige Stadtplanung machten diese zentrumsnahe, aber trotzdem stadtteil-verbundene Einkaufsstraße möglich. „30.000 in zehn Minuten“ heißt auch der inoffizielle Slogan des „Fördervereins Lister Meile“. Er bezieht sich auf die Bevölkerungsdichte dieses Wohngebietes und somit auf die Attraktivität der Fußgängerzone. Neben zwei Kaufhäusern dominiert vorallem der Einzelhandel. Ende der siebziger Jahre versuchte der McDonalds Konzern „auf den fahrenden Zug aufzuspringen“, wie es der Vorsitzende Eberitsch des Fördervereins formuliert. Doch der Versuch, gewerbliche Räume anzu mieten blieb ohne Erfolg. Viele der Ladenbetreiber sind gleichzeitig die Hauseigentümer, die sich natürlich nicht via Immobilien-Tricks „aushebeln“ lassen. Laut dem Vorsitzenden des Fördervereins mußte sich der Fastfood-Konzern schließlich ein Haus kaufen. Man ließ das einstöckige Gebäude abreißen und errichtete auf diesem Grundstück ein fünfstöckiges Wohn- und Geschäftshaus.

In den umsatzstarken Gründerjahren wurde das Restaurant großzügig über zwei Etagen angelegt. „30.000 in zehn Minuten“ könnten eine Menge Fisch-Mäcs und Cheeseburger verdrücken. In den ersten Jahren schien das Konzept auch aufzugehen, aber dann versiegte der Strom der „Hamburger- Süchtigen“, beziehungsweise er wurde umgeleitet. Die klassischen Imbiß-Buden mit Pommes und Currywurst waren nie ernst- zunehmende Konkurrenten der betont kinderfreundlichen Saubermann-Kette. Aber das schnelle Geld, das mit den Zwischenmahlzeiten zu verdienen ist, mobilierte auch alteingesessene Geschäftsleute: Die italienischen Restaurants verkauften Handpizzas und „Tote Hosen“, manch wackere Metzgersfrau besann sich auf ihre Kochkünste, der Fischladen wurde umgebaut und mit Grill und Stehtischen ausgerüstet und ein pfiffiger Grieche nannte seine Produkte fortan „Mäc-Giros“ oder „Big-Souflaki“. Aber auch Imbisse mit neuen Ideen siedelten sich an, die ihre Qualität nicht in der Schnelligkeit oder der Verpackung, sondern im Kulinarischen suchten. Mit knackigen Salatbüffets und kleinen, durchaus preiswerten Leckereien versucht man dem sensibilisierten Ernährungsbewußtsein der Meilen-Bewohner, den Besuchern und den vielen Berufstätigen gerecht zu werden. „Essen mit Spaß“, ein Werbeslogan von McDonald, wird hier tägig praktiziert.

Die überregionalen und ferngesteuerten Werbekampagnen der Hamburgerkette drohten mit ihren Plastikschiffchen und Ufos im bunten Meile-Alltag unterzugehen. Die Filialen-Besetzung mußte vor Ort gegensteuern. Rund um die Fußgängerzone liegen etlich Altenwohnheime. Für deren Bewohner wurde einmal die Woche ein Seniorentanz im ersten Stock des Restaurants arrangiert. Bei dem Sound einer Drei-Mann- Kapelle-“...im Westerwald, da pfeift der Wind so kalt..“ wurden die Herrschaften mit McRibs, heißen Apfeltaschen und Milchshakes bei Laune gehalten. Wollte die Stimmung trotz Animatöse nicht so recht in Schwung kommen, half der eingeschmuggelte Flachmann aus der Handtasche. „Anneliese, ach Anneliese dreimal hats gekracht...!“. Doch die Combo kostete den Veranstalter oftmals mehr als verzehrt wurde. Als man dazu überging, die „Musike“ aus der Konserve zu liefern, streikte die Zielgruppe.

Das McDonalds Restaurant schlingerte immer tiefer in die hausgemachte Krise. Vielleicht war dies der einzige Laden des Konzerns in dem der Stundenlohn nicht in allzu krassem Verhältnis zum Arbeitsstreß des Personals stand: Wenn an sonnigen Tagen die Meile aus allen Nähten platzte und bei der benachbarten Eisdiele oder dem italienischen Restaurant die Stühle und Tische heiß umkämpft wurden, herrschte unter den roten Sonnenschirmen mit dem gelben Logo gähnende Leere. Die Konzernzentrale hätte wahrscheinlich den Laden längst aufgegeben, gäbe es da nicht noch das fünfstöckige Geschäftshaus. Eine Immobilien-Tochter „Mäc Haus“ lag der Geschäftleitung sicherlich fern. Es dauerte Monate, bis das Objekt endlich veräußert wurde, und viele der aus den „Staaten“ eingeflogenen Brötchen mußten in ihrer tiefgefrorenen Lethargie verharren. Ein Steakhouse-Betreiber aus Göttingen will nun sein Glück in der Meile versuchen.

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