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GASTKOMMENTAR Hätschelkinder

■ Der Staat und die Atomwirtschaft

Die Verstrickung des Staates in den Atommüllskandal ist augenscheinlich. Die Endlagerung obliegt dem Bund, den das letztlich unlösbare Problem, zu gewährleisten, daß der Atommüll über geologische Zeiträume hinweg nicht in die Biosphäre gelangt, zu beständigem Nebelwerfen zwingt. So wurde der ursprüngliche Gutachter, Prof. Duphorn, nach seinem vernichtenden Urteil zur Eignung des Gorlebener Salzstocks aus dem Verkehr gezogen. Der zuständigen Bundesanstalt, die mehrfach, insbesondere 1983 in einer „internen Gesamtbewertung“ die Erkundung ande im Entwurf (vom 15.12. 87) zum überfälligen Entsorgungsbericht sybillinisch, daß „die Beseitigung hochradioaktiver Abfälle in einer Salzformation grundsätzlich sichergestellt werden könnte“.

Vordergründig geht es um ein ungeahntes Ausmaß an Kriminalität und Schlamperei in der Atomwirtschaft. Den Hintergrund bildet die strukturelle Kumpanei von Staat und Atomwirtschaft sowie das ungelöste „Entsorgungs“-Problem. Diesen Hintergrund gründlich auszuleuchten wäre Aufgabe des Untersuchungsausschusses, den die SPD im Bundestag durchsetzen kann und muß – ungeachtet der Leichen im eigenen Keller. Alvin Weinberg, renommierter amerikanischer Verfechter der Atomenergie, hat einst für den Umgang mit dieser Technologie hohe ethische Ansprüche formuliert, eine „nukleare Priesterschaft“ gefordert. Nach der Katastrophe in Tschernobyl schauten aus den Zeitungen unentwegt großformatig nette, kinderreiche Atomkraftwerker auf uns, Sicherheitsgaranten, die deutsche Gewissenhaftigkeit verkörpern – keine russischen Schlamper. Nun schimpft selbst Kohl über den Sumpf in „unserer“ Atombranche. Kann man sich erklären, daß ausgerechnet in der Atomwirtschaft das Ausmaß an skandalösem Verhalten das aus anderen Branchen übertrifft?

Der Staat, Hüter unserer Sicherheit, hat wohl zu keinem anderen Wirtschaftszweig eine höhere Affinität entwicke Genehmigungspraxis im Fall der Hanauer Betriebe hat dies beispielhaft zu Tage gefördert. Minister stellen sich jederzeit vor die „sichere und unverzichtbare“ Energiequelle. Die zur Kontrolle der Atomwirtschaft geschaffenen Instanzen sind für Atomkritiker gesperrt; unvorstellbar, daß ein sachkundiger Kritiker etwa in die Reaktorsicherheitskommission berufen oder in der Gesellschaft für Reaktorsicherheit angestellt würde. Wohin die Identifikation des Staates mit der Atomenergie führen kann, zeigt die jetzt publik gewordene Vertuschung der Katastrophe in Windscale vor 30 Jahren. Sollte die staatliche Fürsorge, der Schutz vor Behelligung, die Geborgenheit, deren man sich in der Atomwirtschaft gewiß sein kann, etwa nicht zu Mißbrauch einladen? Klaus Traube

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