: Nur einen Deut besser als Contadora
■ In Costa Rica beginnt heute der Zentralamerika-Gipfel zum Friedensabkommen
Vor fünf Monaten wurde das Friedensabkommen unterzeichnet, die Fristen für seine Verwirklichung – darunter Waffenstillstand, Amnestie und Liberalisierung – sind verstrichen. Die internationale Kontrollkommission aus beteiligten Regierungen, Contadorastaaten, UNO und OAS konnte Fortschritte, aber keinen Durchbruch feststellen und wird eine Fristverlängerung vorschlagen. Vor Beginn des Gipfels hat Costa Ricas Präsident Arias kritische Briefe an Contraführer in seinem Land wie an Daniel Ortega geschickt.
In El Salvador sprechen Guerillakommandanten der FMLN mitten in der Hauptstadt zu einem jubelnden Volk. Die Chefs der politischen Opposition (FDR) kehren aus dem Exil zurück und lassen sich sogar für ein paar Wochen in der Hauptstadt nieder. Viertausend Flüchtlinge kehren aus ihren Lagern in Honduras in ihre Dörfer zurück. In Nicaragua garantiert eine Amnestie allen rückkehrwilligen Contras die sofortige Reintegration in die Gesellschaft. La Prensa, Sprachrohr der Reagan- Regierung in Nicaragua, darf wieder Gift und Galle gegen die Sandinisten spucken. Honduranische Soldaten hindern die Contras am Errichten neuer Lager, und Costa Ricas Oscar Arias schließlich droht Contra-Bossen mit der Ausweisung. Der im August unterzeichnete Friedensplan von Guatemala (der „Vertrag von Esquipulas“) hat möglich gemacht, was vor einem Jahr niemand geglaubt hätte.
Aber täuscht das Bild nicht? Haben nicht in El Salvador Ende Oktober erst Todesschwadronen den Präsidenten der Menschenrechtskommission auf offener Straße ermordet und weitere Mitglieder mit dem Tode bedroht? Hat nicht der Krieg in Nicaragua im letzten Jahr 7304 Tote gekostet? Und blickt nicht Contra-Chef Adolfo Calero der nächsten Kongreßdebatte über weitere Waffenhilfe optimistisch entgegen, wie er der Welt verkündete? Ist also doch alles beim alten geblieben und haben „Falken“ wie der rebublikanische US- Senator Jack Kemp recht, die den Friedensvertrag als „einen Fetzen Papier“ bezeichnen?
Zu Grabe getragen wird der Vertrag von Esquipulas auf dem heute beginnenden Präsidentengipfel in San Jose sicher nicht. Die fünf Staatsoberhäupter werden wohl die Empfehlung der internationalen Kontrollkommission befolgen und die am 6.Januar abgelaufene Frist für die Erfüllung des Abkommens verlängern. Für Oscar Arias, der für „seinen“ Plan immerhin den Friedensnobelpreis eingesteckt hat, ist die Fortsetzung des Prozesses eine Prestigeangelegenheit. Für Guatemalas Vinicio Cerezo geht es unter anderem um sein Lieblingsprojekt, das Zentralamerikanische Parlament (siehe Interview). Und für das ausgeblutete Nicaragua steht das Überleben auf dem Spiel. Den Krieg können sich die Sandinisten nicht mehr lange leisten, auch wenn die Contras rein militärisch keine Bedrohung darstellen. Doch die letzte Ernte von Mais und Bohnen ist auf den Feldern verdorrt. Die Wirtschaft, die mehr als doppelt soviel für Importe ausgibt, als sie durch Exporte einnimmt, braucht den Frieden. Daß Napoleon Duarte (El Salvador) und Jose Azcona (Honduras) wirtschaftlich am Gängelband Washingtons hängen, ist unbestritten. Dennoch können auch sie mit ihren Ländern nicht aus dem Friedensvertrag aussteigen, ohne sich vor aller Welt unmöglich zu machen.
Die Entscheidung, wie es weitergeht, wird allerdings kaum dieses Wochenende in San Jose fallen, sondern Anfang Februar in Washington. Dort geht es darum, ob der Kongreß den Contras neuerlich 270 Millionen Dollar bewilligt. Unerläßlich für die Zustimmung der Demokratischen Abgeordneten ist allerdings, daß die US-Verbündeten in Zentralamerika ausdrücklich darum bitten oder zumindest einhellig Nicaragua verurteilen. Reagans Sicherheitsberater Colin Powell hat nach einer Rundreise durch diese Länder wenig Grund zum Optimismus. Er mußte, so meldete die Los Angeles Times, den einzelnen Regierungen mit wirtschaftlichen Sanktionen drohen, falls die Contra-Hilfe mangels ihrer Unterstützung eingestellt würde. Tony Coelho, der stellvertretende Fraktionsführer der Demokraten im Kongreß, hat das Manöver bereits durchschaut und Reagan beschuldigt, er wolle den Friedensprozeß abwürgen und Nicaragua für das Scheitern verantwortlich machen.
Costa Ricas Präsident Arias hat gestern in einem Brief Daniel Ortega aufgefordert, die Einschränkungen der politischen Freiheit in seinem Land aufzuheben. Noch so widrige wirtschaftliche oder politische Bedingungen seien keine Entschuldigung, die Demokratisierung des öffentlichen Lebens hinauszuzögern. Niemand in der Region dürfe versuchen, sich für immer an der Macht zu halten, schrieb Arias. Ortega seinerseits beschuldigte die US-Regierung, durch Erpressungsversuche den Gipfel zum Scheitern zu bringen. Ralf Leonhard
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