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Monetarismus umstritten

■ Bundesbank–Orientierung an der Geldmengenentwicklung vor dem Ende

Berlin (taz) Der Zeitgeist nagt auch an der Bundesbank. Ihre dreizehn Jahre andauernde monetaristische Politik der einseitigen Orientierung an der Geldmenge im Lande ist ins Gerede gekommen. Auf der gestrigen Sitzung des Zentralbankrates der Frankfurter Notenbank (die bei Wirtschafts–Redaktionsschluß noch andauerte) wurde beraten, an was sich die Zentralbankpolitik künftig ausrichten sollte. 1974 bekundete die Bundesbank ihren Willen, die Geldmenge in der Republik in einem bestimmten „Korridor“ jährlich wachsen zu lassen, also beispielsweise in einer Größenordnung zwischen sechs und acht Prozent. Die seinerzeit auch hierzulande populär werdende wirtschaftswissenschaftliche Denkrichtung des Monetarismus hatte den Anstoß gegeben. Danach sollte die staatliche Wirtschaftspolitik sich fast ausschließlich darauf beschränken, für eine stetige Geldmengenentwicklung zu sorgen. Den Rest für ein gedeihliches Wirtschaftswachstum würde die Privatwirtschaft schon allein erledigen, wenn nur alles stetig und vorhersehbar laufe. Hintergedanke bei dieser Politik war insbesondere die Einrichtung eines Korsetts der begrenzten Geldmenge, das z.B. die Gewerkschaften daran hindern sollte, „überzogene“ Lohnforderungen zu stellen. Dafür wäre dann einfach kein Geld da. Zuvor hatte sich die Bundesbank in ihrer Politik bemüht, je nach Konjunkturlage mithilfe eines größeren oder kleineren Zuwachses der Geldmenge „gegenzusteuern“, um Überhitzungen oder Unterkühlungen zu vermeiden - etwa durch Ausweitung oder Begrenzung der Kreditvergabe an die Banken. Mit der Orientierung an einer strengen Vorgabe der Geldmengenentwicklung hat sich die bundesdeutsche Zentralbank in letzter Zeit jedoch eher lächerlich gemacht. Die tatsächliche Entwicklung hatte mit der Vorgabe nichts mehr zu tun. So war die Zielgröße im vierten Quartal 1987 drei bis sechs Prozent, während der wirkliche Zuwachs inzwischen auf etwa acht Prozent geschätzt wird. Ursache dafür war diesmal vor allem der starke Ankauf von US– Dollar durch die Bundesbank, um dessen Kurs zu stützen. Dafür mußten DM aufgewendet werden, die jetzt über die Devisenmärkte in den Umlauf gekommen sind. Beobachter gehen davon aus, daß es im Zentralbankrat gestern zu einem harten Kampf zweier Linien gekommen ist. Die einen wollen die grundsätzliche Vorgabe der Geldmengenentwicklung beibehalten, jedoch als Dämpfung für die stark schwankende Bargeldmenge die eher konstanten Spareinlagen mit gesetzlicher Kündigungsfrist miteinbeziehen, um bessere Prognosen zugrunde legen zu können. Die anderen halten dies für Trickserei und wollen die Geldmengenkorridore überhaupt zur Disposition stellen. -ulk–

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