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Steinkühlers Einladung an die Ökobewegung

Die Industriegewerkschaft Metall bekennt sich zu ökologischer Umgestaltung / Umweltkongreß der Gewerkschaft in Frankfurt / Bündnisangebot an außergewerkschaftliche Bewegungen / Wirtschaftsinteressen als Hemmschuh der Umweltpolitik  ■ Aus Frankfurt Martin Kempe

Jede Menge Umweltprominenz – und als Abschluß Joschka Fischers Auftritt in einer Podiumsdiskussion der Industriegewerkschaft Metall. Das hat es in den deutschen Gewerkschaften noch nicht gegeben, und auch nicht, daß der Grüne Medienstar mit Leichtigkeit den heftigsten Beifall der Gewerkschafter im Saal einheimsen konnte. Er zitierte aus seiner politischen Praxis in Sachen Umweltpolitik eine politische Erfahrung, die gerade Gewerkschaftern allzu bekannt ist: „Wirtschaftliche Interessen sind immer noch das größte Hemmnis für Umweltpolitik“ (Beifall); jedesmal wenn es um die Substanz geht, tauchen „mächtige Kartelle“ gegen die ökologische Veränderung auf. Das braucht man Gewerkschaftern nicht zweimal zu sagen, das kennen sie aus eigener Erfahrung. Als großen Mißerfolg bezeichnete Fischer die Nordseeschutzkonferenz, deren eigentliche Themen auf die 90er Jahre vertagt worden seien. Es sei lediglich klar: „Es darf kein Hausmüll in die Nordsee geworfen werden.“

Die zweitägige Umweltkonferenz der IG Metall in Frankfurt war die erste Tagung in einer Reihe von Veranstaltungen, die im Herbst in einen großen Kongreß zur gewerkschaftlichen Zukunftsstrategie einmünden sollen. Sie spiegelte den bisher erreichten Diskussionsstand innerhalb der Gewerkschaften in Sachen Ökologie wieder, diente aber auch dazu, die Debatte weiterzutreiben. Die pure Konfrontation zwischen gewerkschaftlichen Arbeitsplatzinteressen und ökologischen Lebensinteressen gehört schon seit Jahren der Vergangenheit an. Inzwischen gilt eher die umgekehrte Formulierung: Die notwendige ökologische Umgestaltung der Wirtschaft erfordert ungeheure Investitionen, schafft also neue Arbeitsplätze.

Daß auch diese Patentlösung möglicherweise zu kurz gegriffen ist, ließ der IG-Metall-Vorsitzende Franz Steinkühler am Freitag in einem Grundsatzreferat anklingen: „Ich will nicht verhehlen, daß es im Bereich des Umweltschutzes zu Konflikten zwischen den kurzfristigen Interessen um den Erhalt der Arbeitsplätze einerseits und den langfristigen Interessen nach Sicherung der Lebensgrundlagen andererseits kommen kann.“ Die Gewerkschaften, so meinte er, gerieten dann in eine „schwierige Lage“, weil sie die Arbeitsplatzinteressen ihrer Mitglieder schließlich zu vertreten haben. Aber, so Steinkühler, „das Überlebensinteresse der Menschheit“ habe dennoch Vorrang vor kurzfristigen Arbeitsplatzinteressen. Von einer eindeutigen Haltung der Gewerkschaften hänge es ab, „ob es den Arbeitgebern gelingt, Branchenkoalitionen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern“ gegen notwendige Umweltschutzmaß nahmen herzustellen. Inzwischen ist es in der IG-Metall Konsens, daß der „Ausstieg aus der Kernenergie schnellstmöglich“ erfolgen muß, daß zivile und militärische Atomkraft gleichermaßen menschheitsbedrohend sind. Der NUKEM-Skandal hat diesen politischen Entwicklungsprozeß innerhalb der Gewerkschaft nur noch einmal drastisch bestätigt. Aber immer noch ist eine gewisse Zurückhaltung spürbar, wenn es um die ökologische Problematisierung der Schlüsselbranche des Metallbereichs geht, der Autoindustrie. Über den Katalysator ist die gewerkschaftliche Diskussion noch nicht wesentlich hinausgekommen, der Individualverkehr wird problematisiert, aber im fernen Osten: „Welche Auswirkungen hat es für das Ökosystem“, so Steinkühler nachdenklich, „wenn beispielsweise in China wie bei uns jeder zweite Erwachsene ein Auto besitzt und fährt?“.

Was können die Gewerkschaften, außer die richtigen Forderungen an den Staat zu stellen, selbst tun? Steinkühler forderte in seinem Referat Kündigungsschutz für Arbeitnehmer, die kriminelle Umweltverstöße ihrer Betriebe anzeigen. Das Betriebsverfassungsgesetz soll verändert und ein Umweltbeauftragter mit weitreichenden Rechten geschaffen werden. Der Umweltschutz soll, wie jetzt schon der Arbeitsschutz, mitbestimmungspflichtig werden. Die Aufklärungsarbeit vor Ort soll verstärkt werden. Es müsse gelingen, so der IGM-Chef, die richtigen Forderungen nicht nur zu stellen, sondern ihnen „Beine zu machen“, sie zu „einer Bewegung zu bündeln“.

Dies ist ohne Verbündete nicht möglich. Die zweitägige Veranstaltung solle „ein Anfang, eine Einladung“ sein, denn „wer aus der Gefahr kommen will, braucht Gefährten, Weggefährten“. Auf gehts...

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