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Eine Opposition nicht vorgesehen

■ Die DDR holt gegen Kritiker alte Paragraphen hervor: „Nachrichtendienstliche Tätigkeit“ und „Zusammenrottung“

„Da die sozialistische Staatsmacht die Interessen des Volkes verkörpert und seinen Willen verwirklicht, der Erhaltung des Friedens, dem Aufbau des Sozialismus (...) dient, richtet sich jegliche Opposition gegen die sozialistische Gesellschaftsordnung , gegen die Werktätigen selbst.“Unmißverständlich formuliert es das Kleine politische Wörterbuch der DDR: Opposition ist in der DDR nicht vorgesehen. Doch bleibt dies eine Wunschvorstellung in den Köpfen der SED-Funktionäre. Um den Schein zu wahren, wird Opposition erst verschwiegen, dann denunziert und schließlich kriminalisiert. Das Strafgesetzbuch der DDR bietet dazu eine Reihe drastischer Sanktionsmaßnahmen, denen vor allem jene Kritiker ausgesetzt sind, die im Lande bleiben wollen, weil sie von einer linkssozialistischen Position aus die DDR verändern möchten. Vorwürfe, wie sie heute wieder gegen engagierte kritische DDR-BürgerInnen erhoben werden, haben eine lange Tradition: „vom Westen gesteuert“, Spionageverdacht oder „Zusammenrottung“ gehören zum altbekannten Reportoire.

Zu denjenigen, die die DDR „von links“ kritisierten und dafür mehrere Jahre Hausarrest einstecken mußten, gehörte Robert Havemann, ehemals SED-Mitglied und Professor an der Ost-Berliner Humboldt-Universität. So wie heute die „Initiative Frieden und Menschenrechte“ berief er sich auf Rosa Luxemburg und entwickelte in den sechziger Jahren die Forderung nach „Pressefreiheit auch für Andersdenkende, Versammlungsfreiheit und Streikrecht“. „Sozialismus ist freier Pluralismus auf allen Gebieten des gesellschaftlichen Lebens“, schrieb Havemann 1977. Weil er zu prominent war, ging man aber gegen ihn nicht gerichtlich vor. 1968 traf es dafür seine beiden Söhne Florian und Frank und den Schriftsteller Thomas Brasch, als sie Plakate gegen die Intervention der Warschauer Pakt-Staaten in Prag klebten. Ihnen wurde der Prozeß gemacht, weil sie angeblich das „Ziel“ verfolgten, die Bürger der DDR DDR-Gesellschaft forderte. Wegen des „Verdachts nachrichtendienstlicher Tätigkeit“ wurde er im Sommer 1977 festgenommen und nach mehrmonatiger U-Haft 1978 zu acht Jahren Haft verurteilt.

Auch gegen die unabhängige Friedensbewegung, die Anfang der 80er Jahre in der DDR erstarkte und mit Schweigemärschen und Mahnwachen gegen Aufrüstung in Ost und West protestierte, wurde mit drastischen Maßnahmen vorgegangen. Polizeiübergriffe, Ha und 1984 wegen „Rowdytum“, „Zusammenrottung“ und „ungesetzlicher Verbindungsaufnahme“ zu Freiheitstrafen zwischen sechs Monaten und zwei Jahren verurteilt. Weil sie sich mit einem Mitglied der westeuropäischen Friedensbewegung getroffen hatten, wurden Bärbel Bohley und Ulrike Poppe, Mitinitiatorinnen der unabhängigen Initiative „Frauen für den Frieden“ in Untersuchungshaft genommen.

Nach DDR-Gesetzen kann selbt die Weitergabe von nicht geheimen Informationen „als landesverräterische Nachrichtenübermittlung“ mit Gefängnis bestraft werden.

Versagen die herkömmlichen Disziplinierungsmittel, dann greifen die Behörden zur letzten Möglichkeit, der zwangsweisen Ausbürgerung. So geschehen im Falle Biermann und beim Jenaer Friedensaktivisten Roland Jahn. Jahn, den man zuvor wegen „öffentlicher Herabwürdigung“ und „Mißachtung staatlicher Symbole“ zu einem Jahr und zehn Monaten Freiheitsstrafe verurteilt hatte, wurde mit Handschellen in einen Interzonenzug gesteckt und gegen seinen ausdrücklichen Willen in die Bundesrepublik abgeschoben. Nach einer durch die Staatssicherheit vereitelten Aktion am Tag der Menschenrechte wurde den Mitgliedern der Initiative „Frieden und Menschenrechte“ ebenfalls unmißverständlich signalisiert, daß sie in der DDR unerwünscht seien und ihren Wohnsitz nun in den Westen verlegen könnten. Das aber genau wollen diese kritischen DDR-BürgerInnen nicht. Sie wollen ihre Gesellscahft von innen her verändern. Karla Trux

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