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Bremer Kniefall vor Daimler Benz

In Bremen gelten für den größten privaten Arbeitgeber der „Freien Hansestadt“ eigene Gesetze / Daimler-Vorstand wollte einen Ehrendoktorhut für seinen stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden Niefer / Wie der Konzernwille zum Willen der Universität wird  ■ Aus Bremen Klaus Wolschner

Die Freie Hansestadt Bremen wird zweigeteilt, monieren hinter vorgehaltener Hand kiritische Sozialdemokraten. Während in den meisten Wohnquartieren mit Stolperschwellen und Blumenkübeln der Verkehr gezielt herausgezwungen wird, plant die Stadt im Bremer Osten die „autogerechte Stadt“. Im Osten Bremens gehen die politischen Uhren anders: Da hat sich Daimler Benz ausgebreitet und hat inzwischen an die 14.000 Arbeiter unter Lohn-Vertrag – mit seinen Zulieferfirmen sicherlich mit Abstand der größte private Arbeitgeber der Freien Hansestadt. Natürlich steht der Technologie-und Rüstungskonzern, zu dem sich der frühere Autobauer gemausert hat, in starkem Verdacht, jener heimliche 40-Prozent-Anteilseigner an der Bremer Vulkan-Werft zu sein, der sich seit Monaten diskret hinter einem Schweizer Banken-Depot versteckt. Kein Wunder also, daß für Daimler in der seit jeher sozial demokratisch regierten Freien Hansestadt andere Gesetze gelten. Ausgerechnet die Universität, vor langer Zeit einmal bundesweit als „rote Kaderschmiede“ bundesweit in gutem Ruf, mußte in den vergangenen Wochen vorexerzieren, was das bedeutet.

Lange Jahre hatte es die Reform-Universität strikt abgelehnt, sich auf das glitschige Parkett von „Ehrendoktor“-Verleihungen zu begeben. Im Rahmen der Normalisierung wurde auch diese Schranke niedergerissen; der Fachbereich Produktionstechnik gebar 1986 die nicht weiter überraschende Idee, einen Bremer Daimler-Mann zum Doktor „honoris causa“ zu küren. Doch die Sache wurde dem Konzern zugetragen, und aus Stuttgart kam die Kunde zurück: Nicht ein kleiner Bremer, sondern der Stuttgarter stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Daimler AG selber, Werner Niefer, soll den „honoris causa“ erhalten.

Mit der Erklärung, dies sei „der Wunsch des Bürgermeisters“, trat der Fachbereichsleiter am 9.Dezember vor seine Professoren- Kollegen – in einem vertraulichen Vorgespräch. Ein Gutachten einzuholen schien ihm nicht nötig, da Niefer bereits die Ehrendoktorwürde am Stammsitz von Daimler, in Stuttgart, führt. Zudem hat er auf der Visitenkarte auch einen „Prof.“ stehen, Holger Börner soll ihm eine Honorarprofessur besorgt haben, nachdem Niefer Schließungspläne für das Daimler-Werk Kassel zurückstellte. Doch die erforderliche Dreiviertel-Mehrheit im Bremer Fachbereichsrat kam in einer ersten „Probeabstimmung“ nicht zustande, Zitate Niefers über die Rüstungsproduktion des Konzerns widersprechen dem Selbstverständnis einiger der Bremer Produktionstechniker, die nichts auf ihre Verantwortung als Naturwissenschaftler – auch für den Frieden – kommen lassen wollten.

Mitte Januar setzte dann eine Serie von Einzel-Gesprächen ein; mal wurden zwei Daimler-Betriebsräte ins Rektorat geholt und den Studentenvertretern wie den wissenschaftlichen Mitarbeitern des Fachbereichsrats vorgezeigt – damit die kleinen Studis sehen, daß höhere Interessen, sozusagen proletarische, auf dem Spiel stehen. Für den Abweichler Professor Wittkowsky wurde größeres Geschütz aufgefahren; er wurde ins Rathaus zitiert und von der Spitze der Landesregierung ins Gebet genommen. Der Bildungssenator soll mehrfach ins Feld geführt haben, auch die IG Metall- Spitze in Frankfurt – der renommierte Steinkühler – habe keine Bedenken gegen die Ehrung (letzterer, so dementiert seine Pressestelle, habe sich nie dazu geäußert), den Fachbereichsvertretern wurden kleine Vorteile in Aussicht gestellt – kurz: Es ging um Bremen, um die Arbeitsplätze, um den Fachbereich: Der Schaden sei nicht absehbar, wenn der mächtige Daimler-Chef sich beleidigt fühle.

Am 20.Januar schließlich ging die zweite Probeabstimmung daneben, dennoch beugten sich die Kritiker und ließen den Antrag knapp passieren – mit einer geharnischten Protesterklärung über den Druck, der auf sie ausgeübt worden sei.

Keine Ehrung ohne Begründung – „Laudatio“ heißt das in dem traditionsreichen Vokabular jahrhundertealter Universitätsgeschichte. In der Laudatio der Bremer Universität für den Konzern- Vize-Chef steht – neben vielen Plattheiten aus Grundkursen der Unternehmensführung – die denkwürdige Bemerkung, Niefer bemühe sich in seinem Unternehmen für die „Synthese Mensch und Automatisierung“, die „Entwicklung auf beiden Seiten“ erfordere.

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