piwik no script img

Wenns doch die Unterlagen sagen...

Waldheim vom Gedächtnis und allen guten Geistern verlassen / In Jugoslawien sollen inzwischen Zeugnisse für seine Teilnahme an einer Massenerschießung aufgetaucht sein  ■ Aus Wien Gaby Regenermel

Kurt Waldheim soll 1944 eine Exekution von 104 Albanern in Pristina beaufsichtigt haben. Dies behauptet der Chef des historischen Archivs der jugoslawischen Provinz Kosovo Bairami. Die Unterlagen sollen Zeitungsberichte faschistischer albanischer Blätter aus jener Zeit sein. Auch eine alte Frau will er kennen, die Augenzeugin der Erschießung war.

Die Originale sind nicht greifbar; sie liegen in albanischen Archiven. Gefunden hat sie der Archivar schon vor zehn Jahren, aber damals natürlich nicht daran gedacht, daß der genannte Waldheim Kurt Waldheim sein könnte. Die Präsidentschaftskanzlei erklärte dazu, daß Waldheim ob sei nes Ranges keine Exekutionen beaufsichtigen konnte.

Der Präsident selber weiß, wie indessen bekannt, nicht mehr allzuviel über sein Leben auf dem Balkan. Eine Sammlung präsidialer Erinnerungslücken bringt der Wiener Kurier in seiner Ausgabe vom 4. Februar. „Ich kann mich beim besten Willen nicht mehr erinnern, nach 46 Jahren. Ich kann nur sagen, daß alle Unterlagen, die mir zur Verfügung stehen, auf eine Tätigkeit im Nachschub hinweisen“, erläutert der oberste Österreicher. Und weiter: „Selbst wenn sich die Echtheit dieses Telegramms erweisen sollte, so muß man sich die Art dieser Transporte einmal näher ansehen. In jedem Krieg gibt es Gefangene und Flüchtlinge. Und in diesem Fall waren das eben Flüchtlinge – Frauen, Kinder, alte Leute, die vor den Kampfhandlungen nach Kozara geflohen sind und in Auffanglager gebracht wurden. Daraus kann man doch nicht eine Nähe zu Kriegsverbrechen meinerseits konstruieren.“ Der Vorsitzende der Historikerkommission, Hans Rudolf Kurz, hat unterdes die jugoslawische Regierung offiziell um Mithilfe bei der Auffindung des Telegramms gebeten, von dem sein Kollege Messerschmitt annimmt, daß es sich in privatem Besitz befinde. Dusan Plenca hat angekündigt, am Sonntag im Fernsehen neue Waldheim-Dokumente vorzulegen. In jugoslawischen Zeitungen ist von einem ungenannten Vertreter des „offiziellen“ Jugoslawien die Rede, der die Echtheit des Ustascha-Telegramms bestätigt habe.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen