piwik no script img

„...bin ich über jedes Maß entsetzt“

■ Woody Allen zum Vorgehen Israels gegen die Palästinenser: „Wir haben die Pflicht, klare Worte zu sagen!“

Ich bin nicht politisch aktiv. Wenn überhaupt, bin ich ein schlechtinformierter Feigling, der felsenfest davon überzeugt ist, daß, wenn er gegen die Erhöhung der U-Bahnpreise protestiert oder gegen zu lange Röcke, vor einem Exekutionskommando enden wird. Ich ziehe es darum vor, ruhig in einem Cafe zu sitzen und mit guten Freunden über die gesellschaftlichen Verhältnisse zu diskutieren. Dabei murmele ich allerhand Abfälliges gegen die Politiker, die für mich zur gleichen Gattung zählen wie die fliegenden Händler auf dem Rummel.

Nachdem ich das klargestellt habe, kann ich ruhig zugeben, daß ich hie und da schon öffentlich Stellung bezogen habe. Zum Beispiel zum Problem der Einfärbung von Schwarz- Weiß-Filmen ohne Genehmigung des Regisseurs. Sicher nicht gerade eine Frage auf Leben und Tod, wird man einwenden. Sicher, aber es handelt sich doch immerhin um eine ethische Frage, und ich war einigermaßen überrascht, als mein Protest völlig wirkungslos blieb. Am Ende hatten nicht die Rechte des Künstlers das Sagen, sondern die „Realitäten des Marktes“.

Ein anderes Beispiel ist meine Haltung ge genüber Südafrika und der Apartheid. Die Behandlung der Schwarzen seitens des Regimes in Südafrika hat mich so aufgebracht, daß ich mich entschlossen habe, meine Filme in Südafrika so lange nicht in die Kinos zu lassen, bis sich die offizielle Position der Regierung nicht ändert. Das hat mir eine Reihe von Briefen seitens der Buren eingebracht, die dankbar waren, auf diese Weise davor bewahrt zu werden aus Versehen in einen meiner Filme zu gehen.

Nun zu Israel. Als überzeugter Unterstützer, der sich von den Schrecken, die benachbarte Feinde, terroristische Gangster und ein großer Teil der Welt diesem kleinen Land antaten, bedroht fühlte, bin ich über jedes Maß entsetzt wie der jüdische Staat die Palästinenser behandelt. Was soll das: Soldaten, die auf Menschen einprügeln, um ein Exempel zu statuieren? Die Männern und Frauen die Hände zerschlagen, um sie am Steinewerfen zu hindern? Die Leute nach dem Zufallsprinzip aus ihren Häusern holen und sie mit Stöcken prügeln, andere terrorisieren und die Bevölkerung damit zur Ruhe zwingen wollen?

Damit es klar ist: Für die Art und Weise, wie die Araber die Israelis behandeln, empfinde ich überhaupt keine Sympathie. Manchmal hätte ich Lust, sie mit einem Riemen zu traktieren. Es ging mir aber stets um den Einzelnen, und nur, wenn er es durch seine Taten wirklich verdient hatte.

Ich lese jetzt die Zeitungen und traue meinen Augen nicht. Ist es möglich, daß die medizinische Versorgung und die Belieferung mit Lebensmitteln behindert wird, um eine rebellierende Gemeinde unter Druck zu setzen? Daß man, um eine Menge unter Kontrolle zu halten, mit wirklichen Kugeln geschossen hat und erst zu Gummigeschossen griff, als die Vereinigten Staaten sich beschwerten?

Mein Gott! Sind das die Leute, für die ich das Geld stahl, als meine Eltern mich losschickten mit einem weiß-blauen Halstuch mit einem Davidsstern drauf, damit ich Geld sammelte, um die israelische Sache zu finanzieren?

Ich halte das für unglaublich, und ich weiß nicht, was ich machen soll. Aber vielleicht haben wir alle, die wir die Existenzberechtigung Israels verteidigen, die Pflicht, klare Worte zu sagen, um diesem Verhalten ein Ende zu machen. Woody Allen

Aus: New York Times

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen