„Kriegssteuer“ für einen Öl-Multi

Anschlag auf das Bürohochhaus des Öl-Multis „Occidental“ in Kolumbiens Haupstadt Bogota soll Zahlung erzwingen  ■ Aus Bogota Ciro Krauthausen

Die verspiegelten Glasfronten der achtstöckigen Kommandozentrale von „Occidental“ gingen Freitag Abend allesamt zu Bruch. Fahnen von Computerpapier wehten aus den zerplatzten Fenstern des Bürogebäudes. Die Guerillabewegung „Nationale Befreiungsarmee“ (ELN) hatte, allen Sicherheitsvorkehrungen zum Trotz, vor dem Sitz des US-Ölmultis in einem Reichenviertel von Bogota ein mit Sprengstoff beladenes Auto geparkt. „Que pasa?“ – „Was ist denn los“, fragten in ihrem schlechten Spanisch einige Firmenangestellte, die nach der Detonation herbeigeeilt waren.

„Oxy“, wie der Ölmulti hier liebevoll genannt wird, hatte sich beharrlich geweigert, der Guerilla eine „Kriegssteuer“ zu zahlen. Die ELN kontrolliert weite Gebiete im Erdölgebiet von Arauca im Nordosten des Landes. Sie erpreßt Zahlungen durch Entführung von Ingenieuren oder Androhung von Sabotage an der Pipeline zur Karibik. Die deutsche Firma Mannesmann hat rund 20 Mio. Dollar springen lassen, um ihren Pipelinebau von Guerillaanschlägen unbehindert beenden zu können. „Die Deutschen haben relativ schnell die Realitäten vor Ort begriffen und dementsprechend gehandelt“, so wurde der spanische Priester und ELN-Kommandant Manuel Perez einmal in der ZEIT zitiert. ELN ist die radikalste der kolumbianischen Guerillabewegungen, die 1972 von der Armee fast völlig zerschlagen wurde. Jahrelang führte sie ein Schattendasein, bis sie durch die „Kriegssteuern“ der Erdölmultis finanzkräftig wurden, den Unternehmen Sozialprogramme für die Bevölkerung abverlangen konnten und damit in der zurückgebliebenen und vom Staat vernachlässigten Region Arauca viele Sympathien gewannen. Der Bombenanschlag auf die „Oxy“ zeigt, daß sich die ELN nun auch in die Städte wagt, wo sie bisher kaum präsent gewesen ist.