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Sag mir, wo die Huren sind

Das gesellschaftliche Ereignis 1988 entpuppte sich als etwas langweilig / 1.200 Besucher beim ersten Berliner Hurenball Die Drei Tornados agierten auf der Toilette / Überschuß geht an Selbsthilfeprojekt für Prostituierte / Mehr Glitzer in jeder Berliner Dico  ■ Von Maria Neef-Uthoff

Berlin (taz)“Sympathie heißt safer sex, mein Schatz“, röhrt Romy Haag mit ihrer Band und sie ist der absolute Lichtblick diese Abends , der als das gesellschaftliche Ereignis 1988 angekündigt war.

Vorher hatte man sich von der mageren Darbietung Gianna Naninis enttäuschen lassen, und war gelangweilt von Ingrid Caven, die sich gewollt lasziv auf einem schwarzen abgegriffenen Flügel räkelte. Wochenlang war nichts anderes im Gespräch gewesen. Wir gehen zum Hurenball. Was, zum Hurenball? Die Kinder in der Schule sprachen davon. Meine Mutter geht zum Hurenball. Jeder wußte es. Soviel Geld. Einhundertfünfzig Mark Eintritt.

In der Szene waberte es plötzlich von verdrängter Spießigkeit. Hurenball, das klang nach Spitzenhosen, nach Unsittlichkeit, nach Sünde, Schande, Puff und Irma la Duce. Was ziehst du an , war die erste Frage der hartgesottesten Feministinnen. Alle waren überglücklich, gerade noch rechtzeitig einen Friseurstermin ergattert zu haben. Aber dann, dann wars wie ein Luftballon, in den man reingestochen hatte. Eine müde und öde, durch und durch gesittete Veranstaltung im Internationalen Congresscentrum Berlin. 1.200 von 1.500 Karten waren verkauft worden. An großen, weit auseinanderstehenden Zehnertischen die mit artigen Mischblumenarrengements geschmückt waren, saßen die Leute und warteten geduldig aufs Halbseidene. Hätten sie mal das Kleingedruckte gelesen. Da steht es rot auf gelb: Wohltätigkeitsball zu Gunsten des Selbsthilfefonds für Prostituierte. Und Herr Müller-Steineck vom Senat sprach als einziger auch von AIDS, obwohl es gar nicht in erster Linie darum ging.

Organisiert hatte Hydra, dasBerliner Selbsthilfeprojekt für Prostituierte. Aber deren Vorzei gefrauen sind alles so brave Intellektuelle wie die Buchautorin und Lektorin Pieke Biermann, die sich beim näheren Hinsehen als echte Scheinhure entpuppt. Der Fond soll Prostituierten beim Ausstieg helfen und Rechtsstreitigkeiten bezahlen. Zehntausend Mark von der Alternativen Liste gab es, überreicht durch Volker Schröder. Er nannte es eine „Sauerei“, daß Huren gezwungen würden ohne Pariser zu arbeiten, Pieke Biermann bedankte sich: „Wir sind in dieser Frage völlig kondom mit dir.“

Diese Art der Kalauer bestimmte das Niveau des Abends. Allen voran Ingrid van Bergen als Conferenciere, die so kleine Witzchen machte, als hätte sie nie Mumm zu größeren Leidenschaften gehabt.

Später tanzte man im Luftballongeschmückten Saal nach einer Art Kaffeehausmusik aus den zwanziger Jahren. Die Garderobe beschränkte sich mit einigen Ausnahmen auf schwarzsilberne oder goldsilberne Jäckchen zu dunklen Unterteilen. Verrücktes war sparsam vertreten, weniger als in jeder normalen Berliner Disco. Nur auf dem Damenklo ging es ein Viertelstündchen lang verrückt zu. Dort machten die drei Tornados Musik und ein schwindsüchtiger Friederich sang wunderschön halbweltlich. Meine Füsse, meine armen Füsse. Dabei haben sie kaum getanzt. Aber einen Abend lang in Stöckelschuhen vorsichtig tippeln und dabei so zu tun als sei alles ganz normal, das nehmen sie mir verdammt übel.

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