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■ Der italienische Soziologe Luigi Manconi: Keine Gemeinsamkeit zwischen UCC und Roten Brigaden

Was bewaffnet ist und links, heißt „Rote Brigaden“. So will es in Italien nicht nur der Pressejargon, auch jahrelang einsitzende Brigadisten haben sich zu allen möglichen Aktionen der Militanten „draußen“ bekannt und so eine Identifikation zugelassen, die inhaltlich gar nicht existiert.

Tatsächlich gibt es zwischen denen, die heute als „Linksterroristen“ festgenommen werden, und den – in ihrer Gesamtheit längst verhafteten – „historischen“ Roten Brigaden keinerlei Gemeinsamkeit. Die „Neuen“ versuchen das übrigens selbst deutlich zu machen, indem sie sich „Unione Comunisti Combattenti (UCC) nennen. Doch das Signet der Brigaden, einmal aufgedrückt, bleibt.

Keine Gemeinsamkeit also zwischen den „alten“ und den „neuen“ Kämpfern. Nicht einmal eine irgendwie geartete organisatorische Verknüpfung konnte man ihnen irgendwo nachweisen.

Ein wichtiger Indikator für die Verschiedenheit leitet sich dabei bereits aus dem Alter der „Neuen“ ab: Kaum einer von ihnen ist älter als 27, die meisten sind zwischen 22 und 25. Das heißt konkret, daß keiner von ihnen älter als 15, allenfalls 17 Jahre war, als es in Italien die „große“ Bewegung des Straßenkampfes und dann der bewaffneten Aktionen gab.

Keiner von ihnen hat also die Erfahrung der Bewegungen sowie die sozusagen natürliche Entwicklung aus ihnen heraus in die subversive Kultur und Militanz hinein; keiner kennt den Straßenkampf und die Debatten um die Legitimierung der kollektiven Gewalt.

Mithin mangelt es den „Neuen“ faktisch an sämtlichen Erfahrungen in den „klassischen“ sozialen Konflikten unseres Jahrhunderts, aus deren Nicht-Lösung dann die „qualitativen Sprünge“ bis zum „Bewaffneten Kampf“ erfolgt sind.

So sind die UCC – man sieht es aus ihren Erklärungen – weitgehend geschichtslos, ohne konkrete eigene Erfahrung, die ihr Engagement bestimmen würde – sie handeln aus einer ausschließlich ideologischen Radikalisierung heraus, sind ausschließlich vom Intellekt, nicht vom gesellschaftlichen Erleben her bestimmt. Sie denken deshalb in den Kategorien einer brutalen Simplifizierung der Realität und einer reinen „Militarisierung“ der politischen Kritik.

Entsprechend abstrakt sind denn auch ihre politischen Ansätze – keinerlei Bezug auf eine als unerträglich empfundene Wirklichkeit, statt dessen lediglich Verweise auf internationale Beziehungen, Strategien der Supermächte, die Logik erdumspannender Interressen.

Das bisher schlüssigste Erklärungsmodell der UCC sieht sie als eine vielleicht speziell italienische Version großstädtischer Gewaltbereitschaft, die eher in der „postindustriellen“ metropolitanen Entfremdung und dem verbreiteten Bandenwesen wurzelt, als daß sie das Ergebnis einer Radikalisierung irgendwelcher sozialer oder gar proletarischer Bewegungen wäre.