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Hanauer Akten unterdrückt

Der Hanauer Untersuchungsausschuß vernahm gestern den ehemaligen Wirtschaftsminister Ulrich Steger / Aus „Pietät“ Akten vorenthalten und dabei auf ermordeten Minister Heinz-Herbert Karry verwiesen  ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Wiesbaden(taz) – Vor dem Hanau-Untersuchungsausschuß des hessischen Landtags hat gestern der Ex-Wirtschaftsminister des Bundeslandes, Ulrich Steger(SPD), zu den Inhalten einer Innenausschußsitzung des Bundestages vom 22.5.85 ausgesagt. Der damalige Wirtschaftsminister hatte gegenüber den CDU/ CSU-Ausschußmitgliedern – laut Protokoll dieser Innenausschußsitzung – seinerzeit erklärt, daß die „Offenlegung aller Hanau-Akten“ für die Schwesterparteien und die Bundesregierung „juristische Konsequenzen“ nach sich hätten ziehen können.

Von den Mitgliedern des Hanau-Untersuchungsausschusses befragt, welche „juristischen Konsequenzen“ sich aus der Aktenlage hätten ergeben können, verweigerte Steger eine eindeutige Antwort. Der Ex-Minister erklärte, daß er dem Innenausschuß die Akten seinerzeit „aus Gründen der Pietät“ vorenthalten habe, denn die Amtsführung eines inzwischen Toten – gemeint war der hessische Ex-Wirtschaftsminister Heinz Herbert Karry (FDP), der 1981 ermordet wurde – sollte in der Öffentlichkeit nicht kritisiert werden.

Darüberhinaus habe er befürchten müssen, daß die Grünen, die ohnehin ständig „Akten klauten und fälschten“, erneut mit der „Schere“ an diesen Akten „herumgeschnippelt“ hätten. Mit geradezu „kriegswissenschaftlicher Akrebie“ hätten ihn die an der Landesregierung beteiligten Grünen verfolgt. Auch habe es „verfassungsrechtliche Gründe dafür gegeben, dem Innenausschuß die Akten vorzuenthalten, denn Aktenadressat einer Landesregierung sei ausschließlich die Bundesregierung.

Auch auf wiederholte Nachfragen der Untersuchungsausschußmitglieder war Steger nicht bereit, seine damalige Drohung mit den juristischen Folgen für CDU/ CSU, falls die Akten an die Öffentlichkeit kämen, zu konkretisieren. Unter seiner Amtsführung sei es zu „keinerlei Unregelmäßigkeiten“ gekommen. Steger: „Wir haben immer wie eine ordentliche hessische Behörde gearbeitet.“ Allerdings seien die Akten des Ministeriums „immer überall herumgeflogen“.

Befragt nach dem Inhalt der brisanten Akten, erklärte Steger, daß diese „keinerlei Hinweise auf strafbare Handlungen“ enthalten hätten, doch verwaltungsgerichtliche Klärungsprozesse – auf grund der langen Genehmigungsdauer für die Anträger der Hanauer Atomfirmen – hätten infolge einer Veröffentlichung dieser Akten nicht ausgeschlossen werden können. Steger: „Ich hatte keine Lust, mir noch dreißig Verwaltungsgerichtsverfahren an den Hals zu hängen.“

Nach beharrlichem Insistieren des Grünen Obmannes „Graf“ Ruppert von Plottnitz lüftete Steger am Ende seines Auftritts doch noch einen Zipfel der Aktenwahrheit. Er könne sich an einen Brief der RBU an Ex-Minister Karry erinnern, in dem die RBU-Manager mit Karry umgesprungen seien, wie er das sonst nur von den Grünen gewohnt war.

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