: Kardinal Obando ergreift die Initiative
Bei den Verhandlungen zwischen Sandinisten und Contra überraschte der Erzbischof von Managua mit einem eigenen Vorschlag / Enthusiasmus bei der Contra, vorsichtig abgewogene Gesprächsbereitschaft bei den Sandinisten / „Die Weisheit von Esquipulas II“ ■ Aus Guatemala Leo Gabriel
Für die dramatische Wende sorgte der Kardinal höchstselbst. Als sich die Delegationen der Sandinisten und der Contra, die am Donnerstag in Guatemala wieder direkte Verhandlungen aufgenommen hatten, in einer Diskussion über den Begriff Waffenstillstand festhakten, unterbrach der Erzbischof von Managua, Kardinal Obando y Bravo, dem die Vermittlung des Dialogs obliegt, am frühen Nachmittag die Debatte und brachte seinen Vorschlag ein: Die nicaraguanische Regierung verpflichtet sich, 1. die völlige Pressefreiheit wiederherzustellen (worunter der Kardinal vor allem die Errichtung eines eigenen Fernsehkanals der Opposition versteht), 2. eine totale Amnestie zu gewähren, die sich auch auf die gefangenen Angehörigen der ehemaligen Nationalgarde Somozas erstrecken soll, 3. den nationalen Dialog mit den Parteien der politischen Opposition durchzuführen, 4. das Gesetz über die Wehrpflicht in Nicaragua einer Revision zu unterziehen.
Auf der anderen Seite sollen sich die in der „Resistencia Nacional“ zusammengeschlossenen Contras zu einem Waffenstillstand auf 30 Tage verpflichten und sich während dieser Zeit in be stimmte Zonen zurückziehen, ohne die Waffen niederzulegen.
Während der Delegationsführer der Contra, Jaime Morales, seine prinzipielle Zustimmung unvermutet rasch und mit einem solchen Enthusiasmus erteilte, daß sofort der Verdacht aufkam, es handele sich in Wirklichkeit um einen Vorschlag der Contra, reagierte Vizeaußenminister Victor Tinoco, der die Regierungsdelegation anführt, in einer ersten Stellungnahme in den Abendstunden mit vorsichtig abgewogenen Worten: „Wir finden den Vorschlag Kardinal Obandos interessant und konstruktiv. Er enthält vier sehr klar definierte Punkte, die die Regierung zu erfüllen hätte, und einen, nämlich den Punkt über den Waffenstillstand, den die Contras erst näher definieren müssen.“
Mit seinem Vorschlag reduzierte der Kardinal den umfangreichen politischen Forderungskatalog der Contra, der noch am Vormittag von der Teilnahme an den Verhandlungen zwischen Regierung und politischer Opposition über die Integration der Contra-Verbände in eine neuzuschaffende, politisch neutrale Armee bis zur Auflösung der sandinistischen Stadtteilorganisationen gereicht hatte.
Den Sandinisten ist vor allem daran gelegen, den Dialog so schnell wie möglich in eine Verhandlungsrunde über die konkreten Modalitäten eines Waffenstillstands überzuleiten. Bereits bei der Pressekonferenz in den Morgenstunden hatte sich gezeigt, daß sie sich bei den Gesprächen mit den Contras keineswegs auf eine Debatte über politische Grundsatz- und Verfassungsfragen einlassen würden. „Es gehört zur großen Weisheit von Esquipulas II (dem im August abgeschlossenen Friedensvertrag), daß der Friedensplan für den politischen Dialog und für die Waffenstillstandsverhandlungen zwei verschiedene Kanäle vorsieht“, hatte bei dieser Gelegenheit Victor Tinoco erklärt.
Der nordamerikanische Rechtsanwalt Richter, der neben dem SPD-Politiker Wischnewski das sandinistische Verhandlungsteam berät, gab jedoch andererseits zu, daß die Regierungsdelegation durchaus bereit sei, auf die von den Contras für einen Waffenstillstand geforderten politischen Garantien einzugehen. Dieser Grundhaltung der Sandinisten tun zumindest die ersten drei Punkte des Obando-Vorschlags keinen Abbruch, da es sich dabei um Forderungen handelt, die die nicaraguanische Regierung im grundsätzlichen bereits im Januar beim Treffen der mittelamerikanischen Präsidenten in San Jose akzeptiert hat. Nun hofft sie, den entscheidenden Durchbruch zu militärischen Fragen zu erzielen.
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