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Der gläserne Mieter

Private Datenbank liefert interessierten Hausbesitzern Angaben über unbequeme Mieter / Illegale Speicherung zugegeben / Datenschützer konnte nichts finden  ■ Aus Berlin Susanne Paas

In Münster werden von einer privaten Firma bundesweit Daten über zahlungsunwillige, gepfändete oder auch nur auffällige Wohnungsmieter gesammelt. Vermieter können für eine Gebühr von knapp 100 Mark solche EDV-sortierten Angaben im Jahresabonnement beziehen. Derartige „Speicherung und Weitergabe von Negativdaten über Mieter“ bietet die „Immobilien Schutzgesellschaft der Vermieter GmbH“ mit Sitz in Münster (ISV) an. 77.000 Adressen von Wohnungs- und HauseigentümerInnen hat sie eigens eingekauft und in ihrem Computer gespeichert, um den VermieterInnen Hilfe bei der „nötigen Selektion der Mieter“ anzubieten. „Die Firma ist in der Bundesrepublik ja sozusagen einzigartig“, meint dazu der Sprecher des für den Datenschutz zuständigen Regierungspräsidiums Arnsberg. „Da gucken wir besonders hin.“ Erst Anfang Februar waren die gelernten Informatiker der Datenschützer noch vor Ort und konnten nichts Ungewöhnliches finden.

Nach dem erklärten Grundsatz „Vermieterschutz ist Einkommensschutz“ wirbt die Firma, die sich selbst als Gegenpol zu den mieterfreundlichen Gesetzen und den Mieterschutzverbänden versteht, für ein „Geschäft auf Gegenseitigkeit“: Vermieter und Hausbesitzer melden ihnen „Schwarze Schafe“ zur EDV-Erfassung, und das gesammelte Datenmaterial steht ihnen umgekehrt auf Anfrage zur Verfügung.

Große Versicherungsgesellschaften gehören nach den Angaben des ISV-Geschäftsführers Bernd Kolm ebenso zu den KundInnen wie gemeinnützige Siedlungsgesellschaften und große Hausverwaltungen. Geschäftsbedingungen und Vertragsformulierungen geben sich betont legal im Sinne des Bundesdatenschutzgesetzes. Werbewirksam angefügt ist ein Schreiben vom Mai 1987 der zuständigen Behörde im Hause des Regierungspräsidenten Arnsberg. „Ohne Mitwirkung des betroffenen Mieters“ sind danach nur sogenannte titulierte Forderungen“ aus Mietverhältnissen, also nur rechtskräftige vollstreckte Zahlungs- und Räumungsbefehle zu Auskunftszwecken speiche rungsfähig, außerdem vom Gerichtsvollzieher bescheinigte „fruchtlose Pfändungen“ und Vollstreckungsbescheide. Das laut Datenschutz-Gesetz erforderliche „berechtigte Interesse“ an einer Auskunft ergibt sich dabei hinreichend aus der Absicht zu vermieten.

In der Behörde des Arnsberger Regierungspräsidenten, die für den Datenschutz zuständig ist, ist die ISV nicht ganz unbekannt. „Die hatten vor, eine Menge mehr zu speichern als nur titulierte Forderungen“, erinnerte sich Pressesprecher Michael Makiolla an den ersten Antrag des ISV im letzten Jahr. „Die wollten richtig speichern, was für ein Mensch der Mieter ist. Das haben wir erheb lich beschnitten.“ Makiolla malt aus, was im ISV-Computer nicht zu finden sein darf: schwebende Berufungs- oder Revisionsverfahren, „Vermutungen über Lebenswandel, ob jemand verheiratet ist oder in wilder Ehe lebt und so weiter“.

Einer taz-Mitarbeiterin gegenüber, die sich als Hausbesitzerin bei der ISV genauer nach den im Werbetext angebotenen Möglichkeiten erkundigte, „die schwarzen Schafe unter den Mietern rechtzeitig zu erkennen“, wurde der ISV-Geschäftsführer deutlich: Auskunft werde erteilt über Mieter, die immer mal wieder mit der Zahlung im Rückstand seien, gemahnt würden, einen Teil zahlten, wieder aussetzten. „Das sind ja eigentlich Querulanten.“ Die gesetzlichen Vorgaben des Datenschutzes waren dem kommerziellen Datensammler bekannt: „Wir können und dürfen eigentlich nur Daten auf der Grundlage titulierter Forderungen sammeln.“ Auf die Bemerkung, daß viele Auseinandersetzungen mit MieterInnen gar nicht bis vor die Gerichte getragen werden, klärt ISV-Chef Bernd Kolm auf: „Da hätte ich Sie noch drauf hingewiesen im persönlichen Gespräch. Wir haben auch die Möglichkeit, andere Daten zu sammeln. Also: Diese Querulanten werden auch gespeichert. Wir dürfen sie nicht speichern, aber wir tuns. So, daß es der Datenschutzbeauftragte nicht merkt.“

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