piwik no script img

Bischof Tutu baut auf Südafrikas Christen

■ Kirche als letzte legale Bastion der Anti-Apartheid-Bewegung/ ANC ruft auf, die neuen Reglementierungen zu mißachten / Experten suchen juristischen Ausweg / Englischsprachige Zeitungen nahezu einhellig gegen das Verbot der schwarzen Oppositionsgruppen

Johannesburg (dpa/afptaz) – Mit Entrüstung und Kritik reagierte die südafrikanische Opposition am Donnerstag auf das praktische Verbot von 18 großen Anti- Apartheidsorganisationen durch das Rassisten-Regime. Einmütig verurteilten liberale Zeitungen und Bürgerrechtler, Gewerkschaften und Arbeitgeber, Oppositionspolitiker und außerparlamentarische Gruppen die neuen Bestimmungen. Tausende schwarzer Aktivisten gingen aus Furcht vor Repressionen in den Untergrund oder versteckten sich in ihren Häusern vor der Polizei. Mehrere Schwarzen-Führer waren am Mittwoch abend bereits festgenommen und verhört worden, darunter auch der Vize-Vorsitzende des rund zwei Millionen Mitglieder umfassenden Oppositionsbündnisses UDF, Archie Gumede. Ihm wurde von den Behörden ausdrücklich untersagt, in Zukunft an Tätigkeiten der UDF wie auch an jedweder politischen Versammlung teilzunehmen sowie mehr als zehn Personen auf einmal um sich zu scharen.

Nur vereinzelt wurde auf die neuen Bestimmungen der südafrikanischen Regierung offensiv reagiert. Die Schwarzen-Organisation „Black Sash“ klebte in Johannesburg Plakate mit der Aufschrift „Dont ban – listen“ (Nicht verbieten – Zuhören) an Hauswände, und der verbotene ANC forderte in einer in Lusaka veröffentlichten Stellungnahme dazu auf, die Reglementierungen offen zu mißachten. Der Kampf gegen das Apartheidsregime in Pretoria müsse unvermindert fortgeführt werden, hieß es in dem Kommunique. Unterdessen sind Rechtsexperten damit befaßt, Lücken in dem Dekret ausfindig zu machen, die es den betroffenen Organisationen erlauben würden, auch weiterhin politisch aktiv zu sein. Die Formulierungen sind sehr vage gewählt und lassen mehrere Auslegungen zu.

Die englischsprachige Presse Südafrikas verurteilte das de-facto-Verbot der schwarzen Oppositionsgruppen am Donnerstag nahezu einhellig. Die katholische Tageszeitung New Nation erschien mit einer schwarzen Titelseite, auf der mit weißen Lettern die Schlagzeile „Banned – State acts to smash popular movement“ (Verboten – Staat will Volksbewegung zerschlagen) zu lesen war. „Jahrzehnte der Repression haben gezeigt, daß man Menschen nicht politisch unterwerfen kann, indem man sie einschüchtert, quält und zwingt“, hieß es im Leitartikel. Die größte südadfrikanische Tageszeitung, der Johannesburg Star, hielt der Regierung vor, „machtwütig und blind gegenüber den politischen Realitäten“ zu sein. Im regierungsnahen Citizen wurde dagegen betont, die Maßnahmen seien zu erwarten gewesen, da einige der Organisationen „die schwarzen Massen gegen die existierende Ordnung mobilisieren wollten“.

Nach dem weltweitem Protest gegen die neuen Erlasse des Apartheid-Regimes – die schärfsten Bestimmungen gegen die schwarze Opposition seit 1977 – reagierte am Donnerstag auch die EG-Kommission mit Bedauern. In einer Erklärung der Kommission hieß es, die jetzt verhängten Maßnahmen würden die innere Konfliktsituation in Südafrika weiter verschärfen und die Chancen für eine Lösung, die von der Mehrheit der Bevölkerung angenommen werden könnte, in eine weitere Ferne rücken.

In einem Fernsehinterview bezog auch der Erzbischof von Cape Town, Desmond Tutu, Stellung. Die Behauptung, die Verbote seien erlassen worden, um ein „Klima der Stabilität, der friedlichen Koexistenz und gutnachbarschaftlicher Beziehungen zwischen allen Gewerkschaftsgruppen zu schaffen“, bezeichnete Tutu als Köder für die Leichtgläubigen und völligen Unsinn. Uber ein Verbot der Opposition ließe sich auch keinesfalls die Position der Gruppen stärken, die Verhandlungsbereitschaft mit dem Regime signalisiert hätten. „Einige der jetzt verbotenen Gruppen,“ betonte der Bischof, sind Vereinigungen wie das National Educational Crisis Comittee“, das wie sonst niemand versucht hat, die Kinder wieder in die Schulen zurückzubringen. Da reicht selbst die größte Fantasie nicht aus, solche Gruppen als subversiv zu bezeichnen. Als Folge werden alle Leute, die dieser Regierung offen Widerstand geleistet hätten, in den Untergrund gedrängt. Ich glaube, wir müssen jetzt versuchen, die Christen und die Kirchen zu größeren Aktivitäten zu drängen, die einzig verbleibende legale Institution, die dieser Regierung noch entgegentreten kann, einer Regierung, die nun völlig verrückt und autoritär geworden ist.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen