: Den Sozialversicherungen wird die Knete knapp
■ Rentenversicherung braucht spätestens 1991 höheren Bundeszuschuß / Arbeitslosenversicherung schon heute mit vier Milliarden im Defizit
Berlin (ap/dpa) - Dringende Reformmaßnahmen zur Sicherung der Renten über 1990 hinaus hat die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) verlangt. Nachdrücklich forderte BfA–Präsident Klaus Hoffmann am Montag in Berlin die von der Bonner Koalition zugesagte Erhöhung des Bundeszuschusses ein. Er nannte es eine „Perversion“, daß der Rentenversicherung immer neue Aufgaben aufgebürdet würden und der Staat sich seiner Verantwortung entziehe. Der Vorstandsvorsitzende Walter Quartier erklärte, er habe kein Verständnis dafür, daß Bundesfinanzminister Gerhard Stoltenberg die entsprechende Festlegung in der Regierungserklärung von Bundeskanzler Helmut Kohl offenbar nicht zur Kenntnis nehmen wolle. Der Anteil des Bundes an den Rentenausgaben ging nach den von der BfA vorgelegten Zahlen im vergangenen Jahr weiter auf 17,5 Prozent zurück. Trotz der Senkung der Beitragssätze hat sich die Finanzlage der Arbeiterrenten– und Angestelltenversicherungen leicht gebessert: Am Jahresende betrug die Schwankungsreserve in der Rentenkasse noch rund 21 Milliarden Mark, das sind rund 1,8 Monatsausgaben. Bis 1990 seien keine akuten Schwierigkeiten zu erwarten, betonte Quartier. Er wies jedoch warnend darauf hin, daß nach dem Stand der Dinge die Reserve schon in drei Jahren unter den vorgeschriebenen Mindestbetrag von einer Monatsausgabe fallen werde. Auch die Bundesanstalt für Arbeit steht nach Auffassung der Arbeitgeber vor einem „finanziellen Abgrund“. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände in Köln wies am Montag in ihrem offiziellen Organ darauf hin, daß im 39,6–Milliarden–Etat der Bundesanstalt für 1988 eine Lücke von 4,1 Milliarden Mark klaffe. Um sie zu schließen, habe die gesamte, Anfang 1988 noch verfügbare Rücklage eingesetzt werden müssen. Damit sei aber die Reserve für arbeitsmarktpolitische Risiken auf Null geschrumpft. Beitragserhöhungen wären nach Ansicht der Bundesvereinigung „unzumutbar und gesamtwirtschaftlich genau das Gegenteil von dem, was nottut“. Und Leistungskürzungen wären - so die Arbeitgeber - „arbeitsmarktpolitisch widersinnig und kontraproduktiv“. Damit bleibt nach Meinung des Kölner Dachverbandes als Ausweg „ein Zuschuß des Bundes, der für diese vorsätzlich und bewußt herbeigeführte Misere geradestehen“ müsse.
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