: Im mobilen Polizeikessel gegen Atomanlagen
■ Im Spalier der Polizeischilde zogen am Samstag die 3.000 TeilnehmerInnen der genehmigten Demonstration gegen Atomanlagen durch die Frankfurter Innenstadt / 16 Festnahmen bei Polizeikontrollen im Vorfeld der Demonstration
Von Maria Kniesburges
Frankfurt (taz) - Umzingelt von acht Hundertschaften Polizei, bewegt sich am Samstag nachmittag die Demonstration für die sofortige Stillegung aller Atomanlagen durch die Frankfurter Innenstadt. Über 3.000 Menschen in einem riesigen, diesmal mobilen Polizeikessel. In dichten Reihen links und rechts des Zuges läuft behelmte Polizei Spalier, die Schilde in einer Wand zu den DemonstrantInnen gerichtet. In den Seitenstraßen sind die Wasserwerfer aufgefahren, dahinter wartet der Polizeinachschub. Obendrüber im klaren Sonnenschein brummt der ständig kreisende Polizeihubschrauber. Mehrfach wird die Polizei aus der Demonstration heraus über Lautsprecher aufgefordert, die Abriegelung aufzulösen: „Wir sind hier über 3.000 Menschen, die gegen Atomanlagen demonstrieren. Wir wollen nicht als Gefangenentransport demonstrieren.“ Bereits die vorangegangene Auftaktkundgebung am späten Vormittag auf dem Römerberg, war als geschlossene Veranstaltung vonstatten gegangen: Alle Zugänge zum Kundgebungsplatz von Polizei abgeriegelt. Wer zu der genehmigten Veranstaltung durchdringen wollte, mußte Jacke und Tasche öffnen, etliche Menschen wurden abgetastet. Noch bevor Wolfgang Ehmke für die Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow–Dannenberg/ Gorleben als einer der ersten Kundgebungsredner die solidarischen Grüße aus dem Wendland an die AKW–GegnerInnen des Frankfurter Raums weitergeben konnte, wurden 16 Festnahmen im Vorfeld der Demo bekanntgegeben. Gegen die Atomschieberei der Hanauer Nuklearfirmen und besonders gegen die Geschäfte der Frankfurter Degussa, der im Zuge der Atomskandale die Kontrolle über das Hanauer Nuklearkonsortium übertragen wurde, richteten sich die Beiträge auf dieser Demonstration, zu der vom Arbeitskreis gegen Atomanlagen Frankfurt, über das Libertäre Zentrum, die Initiative gegen die Flughafenerweiterung und Grüne Kreisverbände über 40 Organisationen aufgerufen hatten. Aber auch die Repressionswelle, die sich seit den Schüssen an der Startbahn West, über das Rhein–Main–Gebiet zieht, war Thema der Redner. „Die Schüsse werden zum Vorwand genommen, oppositionell denkende und handelnde Menschen einer ganzen Region einzuschüchtern und zu kriminalisiern. Im Visier der Bundesanwaltschaft: Die Anti–Startbahn–Bewegung,“ erklärte der Sprecher der Bürgerinitiative gegen die Startbahn–West, Achim Bender. Nur eine Stunde später sollte die umzingelte Demonstration genau an dem Wasserwerfer, dem WaWe 9, vorbeiziehen müssen, der Günter Sare überrollt hatte. Als die Demonstration den WaWe 9 passiert, rufen die DemonstrantInnen: „Günter Sare - das war Mord.“ Über die Reihen des Polizeispaliers hinweg werden die unvermummten DemonstrantInnen minutiös in der Polizeikamera festgehalten. Im Rücken den monumentalen Spiegelglas–Hochbau der Deutschen Bank, vor sich die noch höher erbaute BfG, zur Seite die Commerzbank und die Westdeutsche Landesbank, zieht die Demonstration zum Firmensitz der Degussa am Theaterplatz. Wie bereits zuvor in der engen Hochstraße, in deren Mitte ein Wasserwerfer postiert war, wirds an der Baustelle um das Theater zu eng für den breiten Zug im Polizeispalier. Die Polizeikette drückt sich zwischen DemonstrantInnen und Bauabsperrung. Über den Kopf eines rund 70jährigen Mannes hinweg, der um Besonnenheit bittet, wird der Schlagstock eingesetzt. Aus der Demonstration wird gerufen: „Weitergehen, Ketten bilden, wir wollen keine Provokation.“ Was der hessische Innenminister Gottfried Milde noch einen Tag zuvor über die Lokalpresse hatte verlauten lassen, „daß es im Zusammenhang mit Demonstrationen schon bald wieder zu gewalttätigen Ausschreitungen autonomer Gruppen kommen könnte“, das hatte sich an diesem Tag in gänzlich anderer Weise dargestellt. „No way out - Kein Weg zurück“ lautete an diesem Tag die Kinoreklame am Frankfurter Turm–Palast so treffend. Eine etwa 40jährige Frau stand davor, als der beeindruckende Polizeikessel das Kino passierte. Ihre Frage: „Diese Demonstration ist doch genehmigt - oder nicht?“
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