: Die „grauenvolle“ Transnuklear
■ Geschäftsführer der TN vor dem Ausschuß über die Praktiken des Unternehmens / Auch die Konkurrenz schmierte / NUKEM–Geschäftsführer bestreitet Wahlmanipulation / Jährlich 100.000 DM für „wichtige Leute“
Wiesbaden (ap) - Bei der Beseitigung von Atommüll waren Schmiergeldzahlungen „üblich“. Der Geschäftsführer der Transnuklear, Hans Joachim Fischer, wies am Montag vor dem Untersuchungsausschuß des hessischen Landtags daruf hin, daß sich die Konkurrenz von Transnuklear ebenso verhalten habe. Fischer und der entlassene NUKEM–Geschäftsführer Stephany sagten aus, für den Zeitpunkt der Selbstanzeige von Transnuklear sei die hessische Landtagswahl am 5.April nicht der „entscheidende Punkt“ gewesen. „Wir haben nichts verzögert“, behauptete Stephany. Beide Zeugen räumten aber ein, daß „selbstverständlich“ in der Nuklearindustrie über die Wahl gesprochen worden sei. Das sei jedoch nicht ausschlaggebend gewesen. Stephany sagte, ein entsprechender eindeutiger Aktenvermerk des Leiters der Degussa–Steuerabteilung, Eberhard Mayer–Wegelin, sei falsch. In dem Vermerk vom 24.März 1987 heißt es, Stephany werde Anzeige erstatten, „wegen einer nicht auszuschließenden Öffentlichkeitswirkung jedoch erst kurz vor der Hessenwahl“. Stephany gestern: Die Anzeige hätte nicht früher erstattet werden können: „Es ging nicht schneller.“ Er sei am 14.März 1987 von Fischer über den Verdacht von Unregelmäßigkeiten bei den Finanzen telefonisch informiert worden, der damalige Aufsichtsratsvorsitzende der NUKEM, RWE–Vorstandsmitglied Spalthoff, sei am 20.März 1987 informiert wor den. Fischer sagte aus, ihm sei bereits im Februar der Verdacht finanzieller Unregelmäßigkeiten gekommen. Er habe hausintern feststellen müssen, daß es offensichtlich bekannt gewesen sei, daß „Rechnungen durchgeschleust wurden, um Geld zu beschaffen“. Ende Februar habe er „ziemliche Gewißheit“ gehabt. Fischer berichtete von fingierten Rechnungen und Scheinfirmen. Der Vorsitzende der Geschäftsführung, Peter Vygen, habe auf die Frage nach dem Hintergrund einer „Vielzahl von Unregelmäßigkeiten“ erklärt, diese Gelder seien „zur Erlangung gewisser Aufträge“ benötigt worden. Am 24.März 1988 habe ihm ein Mitarbeiter berichtet, daß er hierfür jährlich bis zu 150.000 Mark ausgebe, und daß „nahezu alle wichtigen Leute in Kernkraftwerken“ Geschenke erhielten. Fischer sprach von einem „Szenario, das war schlichtweg grauenvoll“. Das Vorgehen sei „bis nach oben“ abgesegnet gewesen, auch die NUKEM–Spitze habe davon gewußt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen