Krupp droht den Stahlkochern

■ Brief vom Vorstand: „Arbeitsrechtliche Konsequenzen“ und „Schadensersatz“ bei weiteren Streiks in Rheinhausen / Liste der Stahlindustriellen zeigt: bis 1989 sollen 34.906 Stahlarbeitsplätze verschwinden

Aus Duisburg Walter Jakobs

Der Vorstand der Krupp–Stahl AG hat in einem persönlichen Schreiben alle Beschäftigten in Rheinhausen vor einer weiteren Beteiligung an Arbeitskampfmaßnahmen gewarnt und angedroht, daß die Teilnahme künftig „arbeitsrechtliche Konsequenzen“ und „Schadensersatzansprüche“ nach sich ziehen werde. „Seit den Montan–Konferenzen bei dem Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein–Westfalen und beim Bundeskanzler steht fest“, so heißt es in dem Vorstandsbrief, „daß der erforderliche Strukturwandel auch von der politischen Seite und der öffentlichen Hand begleitet wird und Mittel zur Schaffung von neuen Arbeitsplätzen zur Verfügung stehen. Spätestens seit diesem Zeitpunkt können Arbeitsniederlegungen nur noch den einen Zweck haben, unserem Unternehmen Schaden zuzufügen. Jeder, der sich zukünftig an ihnen beteiligt, (muß) damit rechnen, daß die Unternehmensleitung arbeitsrecht liche Konsequenzen zieht.“ Bei der Bonner Konferenz war zwar einiges für NRW und für Duisburg, nichts jedoch für den Stahlstandort Rheinhausen herausgekommen. In einem Brief an die Mitglieder des montanmitbestimmten Aufsichtsrates der Krupp–Stahl AG, datiert vom 10.3.88, hält der Rheinhausener Betriebsrat dem Vorstand „eine völlige Verdrehung der Tatsachen“ vor. „Verantwortung für die Produktionsausfälle trägt der Vorstand der Krupp–Stahl AG. Wiederholte Vertragsbrüche und ein Verhandlungsstil, der aus Erpressung und Drohungen besteht, haben die Konflikte in diesem Ausmaß provoziert.“ An die Belegschaft schrieb der Betriebsrat: „Unmittelbar vor Fertigstellung eines Alternativkonzeptes des Betriebsrates“, versuche der Vorstand den Kampf um Rheinhausen „lahmzulegen“. Offensichtlich wolle der Vorstand „verhindern, daß unser Konzept, das sich rechnet, aber nicht den maximal möglichen Profit sichert, zum Tragen kommt“. Insgesamt beabsichtigten die Stahlindustriellen, bis 1989 in der bundesdeutschen Stahlindustrie 34.906 Arbeitsplätze abzubauen. Das geht aus der unserer Zeitung vorliegenden „Anlage 1“ - „persönlich–vertraulich“ - hervor, die die Stahlbosse der im letzten Jahr mit der IG–Metall abgeschlossenen „Frankfurter Vereinbarung“ hinzufügten. Dort sind die Arbeitsplatzverluste für jeden Standort bis auf die letzte Stelle angegeben. Allerdings täuschen diese Zahlen Präzision nur vor. Sie sind - zumindestens für Rheinhausen - längst überholt. Dort gehen bei Verwirklichung der Vorstandspläne eben nicht nur, wie in der „Anlage 1“ angekündigt, 2.046 Jobs verloren, sondern der gesamte Standort.