: GNS: Würdiger Erbe für Transnuklear
■ Die zwölf AKW–Betreiber der Republik wollen der Essener Firma GNS den Transport und die Behandlung von Atommüll überlassen / Die GNS steht selbst im Verdacht der Bestechung / Ihr Chef transportierte radioaktives Material im Privatwagen über die Grenze
Von Wiedemann & Rosenkranz
Mit einer neuen Monopolfirma will die Atomindustrie ihr Transnuklear–geschädigtes Image aufpolieren: Die zwölf Kraftwerksbetreiber der Bundesrepublik werden die Mehrheit der Essener Gesellschaft für Nuklear–Service (GNS) aufkaufen und der neuen gemeinsamen Tochtergesell schaft alle Dienstleistungen bei Transport und Behandlung schwach– und mittelradioaktiver Abfälle überlassen. Die GNS wurde Mitte der siebziger Jahre unter maßgeblicher Beteiligung ehemaliger leitender Angestellter der inzwischen stillgelegten Atomtransportfirma Transnuklear gegründet. Das Essener Unternehmen steht seit Auffliegen des Atomskandals im Verdacht, Aufträge ebenso wie die Hanauer Konkurrenz mittels Bestechung aquiriert zu haben. GNS–Geschäftsführer Baatz hatte diesen Posten 1971 auch bei der Transnuklear inne. Durch die Konstruktion einer einzigen Firma und die Ausschaltung der Konkurrenz sei die Zuverlässigkeit der Entsorgung bes ser gewährleistet, sagte gestern Professor Heidinger, Vorsitzender der Vereinigung Deutscher Elektrizitätswerke nach der Vorstellung des Konzepts bei Umweltminister Töpfer. Die Gesellschaft für Nuklear–Service sei mehrfach, unter anderem durch die Wirtschaftsprüfung „Treuarbeit“ überprüft worden. Hermann Krämer, Vorstandsvorsitzender der PreussenElektra: „Gegen die derzeitige Geschäftsführung der GNS liegt nichts vor.“ Die GNS ist ein ungewolltes Kind der Transnuklear. Der frühere Transnuklear Geschäftsführer Dr. Baatz gründete das Konkurrenzunternehmen gemeinsam mit einigen anderen ehemaligen TN–Angestellten und wurde 1977 sein Geschäftsführer. Als Transnuklear–Angestellter hatte Baatz in den sechziger Jahren Plutonium in seinem privaten Pkw aus dem belgischen Mol in die Bundesrepublik transportiert. Fortsetzung auf Seite 2 Kommentar auf Seite 4 Die für die Transportgenehmigung zuständige Physikalisch Technische Bundesanstalt bestätigte inzwischen einen entsprechenden Bericht der taz vom 19. Februar. Baatz selbst wollte den Vorgang gegenüber der taz weder bestätigen noch dementieren. Er könne „keine detaillierten Auskünfte geben“, da er „keinen Zugang zu den entsprechenden Unterlagen habe“, schrieb der GNS– Chef auf Anfrage. Auch für die in Sachen Transnuklear ermittelnde Hanauer Staatsanwaltschaft ist die GNS keine unbekannte Größe. Hans Holtz, bei der Transnuklear bis zum Auffliegen des Skandals für die Abwicklung der Bestechungen abgestellt, nannte den Namen der GNS laut Vernehmungsprotokoll vom 22. Juni vergangenen Jahres. „Wir sind Besseres gewöhnt als kleine Geschenke“, hatte Klaus Ramcke von der Preussen Elektra gegenüber Holtz geäußert. „In diesem Zusammenhang“, so Holtz gegenüber den Hanauer Ermittlern, „fiel auch der Name unserer Konkurrenzfirma GNS“. Ramcke, einer der Hauptprofiteure der Bestechungen, warf sich vor den Zug, als der Skandal im Frühjahr 1987 aufflog. Holtz nahm sich nach seiner Festnahme Ende 1987 im Gefängnis das Leben. Zuvor hatte er gegenüber einem Journalisten geklagt, wie schwer es gewesen sei, die „Konkurrenz aus dem Markt herauszutreiben“, die mit der Essener Steag den im Vergleich zur Transnuklear potenteren Geldgeber im Hintergrund gehabt habe. „Die GNS war immer schneller. Wir hinkten immer hinterher.“ Die Schnelligkeit der GNS scheint auf ihre Zuverlässigkeit nicht ohne Einfluß geblieben zu sein. Die Transnuklear–Erbin ist verantwortlich für die fehlerheft konditionierten sogenannten „Blähfässer“. 227 dieser Fässer, in denen unkontrollierte Gasreaktionen zu einer Aufwölbung der Faßdeckel führten, wurden allein im AKW Würgassen vorgefunden. In einem Duisburger Stadtteil betreibt die GNS gegen massive Proteste aus der Bevölkerung eine Atomschrottanlage. In einer Halle auf dem Thyssen–Gelände lagert das Unternehmen große Mengen radioaktiv verseuchten Schrotts. Vor der Transnuklear–Affäre besorgte die GNS 20 Prozent der Atommüll–Transporte, jetzt sind es bereits 50 Prozent. Ob „unbescholtene“ Mitarbeiter der Transnuklear künftig in die GNS übernommen werden, ist nach Angaben der Stromversorger eine „noch offene Sache“. Nach dem Konzept, das die Energie–Unternehmen gestern mit Töpfer besprachen, soll ein größerer Teil der flüssigen und nicht–brennbaren Nuklear–Abfälle künftig an den AKW–Standorten behandelt werden. Die Transporte mit Atommüll würden so reduziert. Dazu sollen stationäre und mobile Konditionierungsanlagen eingerichtet werden. Für den brennbaren Atommüll setzen die Betreiber auf eine zentrale Verbrennungsanlage, die derzeit von Siemens im bayerischen Karlstein gebaut wird. Außerdem kündigten die Energie–Unternehmen ein „lückenloses Abfallverfolgungs– und Produktkontroll–System“ an, das vom Rohabfall bis zum erhofften Endlager reichen soll. Mit dem neuen Kontrollsystem werde sichergestellt, daß Abfälle nicht „vermischt oder vertauscht“ werden könnten. Die Daten und Meßwerte sollen teilweise bei der DWK zentralisiert werden und auch den Behörden zur Verfügung stehen. Für soviel Kontroll–Aufwand erwartet die Kernkraft– Lobby vom Staat als Gegenleistung „die baldige Bereitstellung des Endlagers Konrad“. Mit der Entlassung eines Mitarbeiters und der „Verstärkung von Vier–Augen–Kontrolle“ glauben die AKW–Betreiber ihr Soll in Sachen Atomskandal–Aufklärung erfüllt zu haben. Unter Hinweis auf Untersuchungsausschüsse und Staatsanwalt meinte Strom– Boß Heidinger: „Mehr an Aufklärungsarbeit kann doch nicht inszeniert werden.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen