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Fünf Jahre Knast für Neonazi Tag

■ Landgericht Giessen verurteilte einen der führenden Neonazis / Haftbefehl wurde abgelehnt, weil angeblich keine Fluchtgefahr besteht / Verteidigung hatte Freispruch gefordert

Gießen (taz) - Ernst Tag, einer der wichtigsten Drahtzieher in der bundesdeutschen Neonazi– Szene, ist vom Landgericht Gießen wegen Beihilfe zu einem Banküberfall, Hehlerei in zwei Fällen und Verstoß gegen das Waffengesetz zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren Haft verurteilt worden. Der 41jährige Chemielaborant der BASF in Ludwigshafen betreibt im rheinland–pfälzischen Weidenthal das „Nationale Zentrum“ mit den Namen „Rudolf–Heß– Haus“. Auf dem Anwesen mit Haus und Grundstück trifft sich ein großer Teil der Neo–Nazi– Szene regelmäßig. Das Geld zum Kauf des Anwe sens in Weidenthal soll Ernst Tag weitgehend aus zwei Banküberfällen seines bereits rechtskräftig verurteilten ehemaligen Vertrauten Markus Mössle erhalten haben. Dieser hatte Tag 50.000 DM aus der Beute eines Überfalls auf die Filiale der Sparkasse in Oberderdingen am 10.1.84 als Spende getarnt überwiesen. Nach Überzeugung des Gerichts soll der Angeklagte über die Herkunft des Geldes Bescheid gewußt haben. Zum anderen hatte Mössle aus einem zweiten Banküberfall dem Angeklagten persönlich zusätzliche 22.000 DM zugesteckt. Tag soll davon 20.000 DM in zwei getrennten „Spenden“ auf sein eigenes Konto überwiesen ha ben. Das Landgericht Gießen sah es zudem als erwiesen an, daß der Angeklagte seinem Ex–Vertrauten zur Begehung eines dritten Banküberfalls eine Maschinenpistole und zur Auskundschaftung des Tatortes seinen VW–Bus zur Verfügung gestellt habe. Kurz nach diesem dritten Überfall in Hungen wurde Mössle allerdings verhaftet. Im Verfahren gegen Ernst Tag hatte Mössle erklärt, er habe sich inzwischen von den rechtsextremen Kreisen losgesagt. Mössle, der eine Freiheitsstrafe von neuneinhalb Jahren verbüßt, fungierte in dem Verfahren als Kronzeuge und belastete seinen Ex–“Kameraden“ schwer. Kronzeuge Mössle durfte übrigens ohne Polizeibegleitung nach Gießen fahren. Ernst Tag (braunes Hemd, braune Krawatte, schwarze Lederjacke Militärkoppel) stritt jegliche Beteiligungen an und Kenntnisse von den Banküberfällen ab. Die Staatsanwaltschaft Gießen hatte gegen den Neonazi eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren unter Einbeziehung zweier vorhergehender Verurteilungen und die sofortige Vollstreckung eines Haftbefehls wegen Fluchtgefahr beantragt. Der Vorsitzende Richter Karl Pfannerstill lehnte jedoch die Verhängung eines Haftbefehls mit der Begründung ab, es gäbe „keinerlei Anhaltspunkte für eine Fluchtgefahr“.

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