: Kämpfe im Grenzgebiet
Managua (taz) - Während die Reagan–Regierung laut überlegte, wie sie den militärisch bedrängten Contras zu Hilfe eilen sollte, versuchte Daniel Ortega noch am Mittwoch nachmittag, die brisante Situation über den direkten Draht zum honduranischen Präsidenten Azcona zu entschärfen. Am Telefon teilte er ihm mit, was er danach noch einmal in einer Rundfunksendung wiederholte: Die sandinistischen Truppen hätten zwar über zweitausend Contras aus Basislagern im äußersten Norden Nicaraguas verjagt, dabei aber die Grenze - entgegen den Behauptungen aus Washington - nicht überschritten. Dramatische Momente am Mittwoch in Nicaragua: Das Ministerkabinett und das diplomatische Corps wurden unvorhergesehen zusammengetrommelt, um eine Botschaft des Präsidenten zu vernehmen. Alle Radios unterbrachen ihr Programm: über den Äther ertönten nur noch Marschmusik und trotzige Anti– Yankee–Lieder. Gleichzeitig erging an alle Reservisten der Befehl, sich in den zuständigen Kommandos zu melden. „Jetzt marschieren die Gringos wirklich ein“, glaubten plötzlich nicht nur jene, die schon zuvor einer Ente der US– Fernsehgesellschaft CBS über eine Invasion aufgesessen waren. Die Generalmobilmachung schien bevorzustehen. Ganz soweit ist es jedoch noch nicht. „Das nicaraguanische Volk soll sich bereithalten, jeden Aggressionsakt abzuwehren“, hieß die zurückgehaltene Botschaft Ortegas, der in Zivilkleidung erschien, begleitet von Vizepräsident Ramirez, Außenminister dEscoto und Generalstabschef Joaquin Cuadra. In ihrer Großoffensive seit dem 6. März sei es den sandinistischen Truppen gelungen, so verkündete Ortega, die Lager der Contras im Gebiet von San Andres de Bocay, im äußersten Norden des Landes, zu erobern. Das entlegene Gebiet am Zusammenfluß des Rio Coco mit dem Rio Bocay, das auf den Landkarten mangels genauer Erfassung weiße Flecken aufweist, war schon vor knapp einem Jahr Schauplatz heftiger Gefechte. Über 400 Contras sollen diesmal getötet oder verwundet worden sein. Auf sandinistischer Seite werden 34 Tote und 68 Verletzte gemeldet. Zwar hätten die Regierungstruppen das Feuer der Contras über den Grenzfluß Rio Coco erwidert, von der Verfolgung ins benachbarte Territorium aber Abstand genommen. In den letzten Jahren hätten die Sandinisten mehrmals von ihrem Recht (Ortega: „Völkerrechtlich verbrieft“) Gebrauch gemacht, die Angreifer bis aufs Nachbarterritorium zu verfolgen. Diesmal seien die Truppen jedoch nur bis zur Grenze vorgedrungen. Um vor aller Welt jeden Zweifel daran auszuräumen, hat Ortega die Generalsekretäre der UNO und der Organistaion Amerikanischer Staaten aufgerufen, so schnell wie möglich eine Kommission zu entsenden, die die Situation vor Ort überprüft. Nach Klärung des Grenzzwischenfalles solle die Kommission die Entwaffnung der Contras auf honduranischem Gebiet durchsetzen, forderte Ortega. Honduras sei offensichtlich nicht in der Lage, seiner diesbezüglichen Verpflichtung nach dem Friedensplan von Guatemala nachzukommen. Die USA ihrerseits ließen nichts unversucht, den Friedensplan und einen Waffenstillstand in Nicaragua zu torpedieren. So wurden, sagte Ortega, Chinook–Hubschrauber der US– Army beobachtet, die den Contras während der jüngsten Operation von Honduras aus Nachschub brachten und deren Schwerverletzte evakuierten. Ralf Leonhard
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