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Anachronistisch

■ Die Demonstration in Hanau

Die erste Großdemonstration nach dem Atom–Skandal stand unter einem ungünstigen Stern. In Frankfurt, immerhin Sitz der Degussa, hing kein Plakat, zirkulierten keine Flugblätter zur Demonstration. Die Autonomen, die sich vom Konsens der unbedingten Gewaltfreiheit ausgegrenzt fühlten, hatten „ihre“ Demo in Frankfurt schon vor zwei Wochen. Die Hanauer Anti–Atom–Initiativen beharrten auf ihrem Konzept lokaler Autonomie, und die hessischen Grünen beschränkten sich auf Presseerklärungen. So verliefen sich ein paar tausend Demonstranten am Rande der Hanauer Innenstadt. Daß die Zahl der Unterstützer - vom grünen Ortsverband Erlensee bis zur Redaktion der Roten Blätter - die 100 überschritt, ändert nichts an dem Befund: Das klassische Mittel der (Groß–)Demonstration - ob gewaltfrei oder militant - erweist sich unter den neuen Bedingungen als stumpfe Waffe; der Atomskandal, der drei parlamentarische Untersuchungsausschüsse beschäftigt, ist ein „Medienskandal“. Die Medien haben ihn recherchiert und präsentiert, sie bestimmten wesentlich den Rhythmus der Enthüllungen, und sie drängten nicht nur die Fernsehbürger, sondern auch „die Bewegungen“ über weite Strecken in die Zuschauerrolle. Der Dauerbeschuß mit Neuigkeiten aus dem atomaren Alltag hat eher erschlagend als mobilisierend gewirkt. Die anti–nukleare Rhetorik ist von der Wirklichkeit bestätigt und zugleich überholt worden. „Hanau“ scheint gerade nach seiner Entlarvung ein Phantom zu sein, angesichts dessen die traditionelle Großdemonstration kaum noch politische Anziehungskraft besitzt. Die Suche nach neuen Formen der Politik von unten, die sich auf veränderte Verhältnisse klug bezieht, ist überfällig. Reinhard Mohr

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