: „Keine Narrenfreiheit“
■ Warum hat der Betriebsrat der Seebeckwerft den entlassenen Vertrauensmann Bedi Genc nicht unterstützt? Dazu Günter Linde, seit 17 Jahren Betriebsratsvorsitzender der Seebeckwerft und seit einem halben Jahr auch SPD– Abgeodneter in der Bremer Bürgerschaft
taz: Bedi Genc wurde gekündigt wegen seiner gewerkschaftlichen Tätigkeit... Linde: Nein. Er hat morgens die Kollegen aufgefordert, die Arbeit nicht aufzunehmen. Das ist ein gewerkschaftliches Kampfmittel. Ja, sicher. Aber wir waren gerade in Verhandlungen mit dem Vorstand und wir haben ja auch erreicht, daß ein großer Teil der betroffenen Schweißer, die sich über ihre Akkordabrechnung beschwert hatten, Nachzahlungen bekommen haben. Das war damals mitten im Fluß. Ist es da nicht günstig, wenn der Betriebsrat von der Basis gewerkschaftlichen Rückenwind bekommt. Das ist kein gewerkschaftlicher Rückenwind! Die Einigung war schon vorbereitet und was Genc gemacht hat, das hat das Ergebnis weder positiv noch negativ beeinflußt. Der Betriebsrat hat ja dann zu den verschiedenen Kündigungen des Kollegen Genc Stellung genommen. Wie? Ich habe das nicht im Gedächtnis. Wir haben in jedem Fall in geheimer Abstimmung entschieden. Wie haben Sie persönlich in den Abstimmungen votiert? Das ist ja meine Angelegeneheit. Sie glauben doch nicht, daß ich Ihnen das erzähle. Das gibt es nicht. Zumal geheim abgestimmt wurde. Ein Gewerkschaftsfunktionär wird wegen einer Arbeitsniederlegung entlassen. Kann es da für den Betriebsrat einen Grund geben, der Kündigung nicht zu widersprechen? Natürlich. IG Metall–Mitglieder haben doch keine Narrenfreiheit. Sie müssen sich auch nach der Betriebsordnung und den Gesetzen richten. Ist eine spontane Arbeitniederlegung ein Gesetzesverstoß? Das war nicht spontan sondern schon am Tag vorher vorbereitet. Ich will Ihnen mal was sagen: unser Gespräch bringt nichts. Der Genc ist für mich erledigt. Was wollen wir das noch aufrühren? Er hat als Bürger und Ausländer von den Möglichkeiten unseres Rechtsstaats Gebrauch gemacht. Das Arbeitsgericht hat für ihn entschieden. Ich bin froh, daß er seine Arbeit wieder hat. Interview: Michael Weisfeld
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