Trendspiele

■ Zum „Ende“ der Koalitionsdebatten

Die Osterpause ist vorbei, und keiner wills gewesen sein. Lambsdorff, via Bunte und BILD als einer der Protagonisten für einen neuerlichen Wechsel gehandelt, spricht im Rückblick von „Osterfestspielen“, Kohl verweist darauf, daß Hinterbänkler eben immer dann Konjunktur haben, wenn der große Vorsitzende nicht da ist, und Bangemann läßt sein Präsidium verkünden, man wolle nun endlich am Arbeitsprogramm der Koalition weitermachen. Vorhang zu Spiele beendet? Auf den ersten Blick werden die Vorleute der Bonner Bühne sicher den Eindruck vermitteln, sie hätten den Deckel wieder auf dem Topf. Hinter den Kulissen wird es gleichwohl munter weitergehen und zwar vor allem aus zwei Gründen: zum einen weil die FDP sich Geißlers sogenannter Lagertheorie widersetzen muß, um nicht zum Mehrheitsbeschaffer der CDU degradiert zu werden, zum anderen weil die SPD den „Verrat“ Genschers emotional überwunden hat. Vor allem die sozialdemokratischen Hoffnungsträger Lafontaine, Schröder, Engholm und Co machen kaum noch einen Hehl daraus, daß für sie der Weg zur Macht über die FDP geht. Das wechselseitige Schulterklopfen zwischen Vogel und Genscher, die Augenzwinkernde Erklärung Lafontaines nach seinem Gespräch mit dem Außenminister haben zum Ziel, die Gefolgschaft auf die Option eines Wiederzusammengehens einzustimmen. Dabei dürfte der Hinweis auf die viel beschworenen sachlichen Differenzen in der Wirtschafts– und Sozialpolitik kaum eine Rolle spielen, geht es doch um taktische Vorteile, die sich die Strategen beider Parteien für die Zeit bis zu den nächsten Wahlen versprechen. Die Durchsetzungsfähigkeit der FDP steigt in dem Maße, wie die Möglichkeit eines Wechsels wieder denkbar wird, und die SPD–Führung schafft sich die interne Debatte um die Grünen endgültig vom Hals. Endlich könnten die Mühen einer programmatischen Erneuerung wieder auf dem Altar der Sachzwänge geopfert werden. Da gesellschaftliche Probleme in diesen Machtspielen kaum einen Platz haben, erhalten die Grünen noch einmal eine reale Chance: Sie könnten zeigen, daß Politik mehr ist als ein Koalitionskalkül. Jürgen Gottschlich