Integrieren oder raus

Eine der längsten Hängepartien der Bonner Wende–Koalition, die Ausländergesetzgebung, scheint sich ihrem Ende zuzuneigen. Nach sieben Jahren Wende–Regierung soll nun ein neues Ausländergesetz durchgepeitscht werden. Der taz liegt ein Papier aus dem Innenministerium vor, in dem in groben Zügen das zukünftige Ausländerrecht skizziert wird. Geht es nach Bundesinnenminister Zimmermann, wird das seit 1965 geltende Gesetz statt durch ein „Jahrhundertwerk“ gleich durch zwei ersetzt: ein Ausländerintegrationsgesetz (AIG) und ein Ausländeraufenthaltsgesetz (AAG). Angetreten war Zimmermann mit dem simplen Konzept der deutschtümelnden Kreise innerhalb der Union: Ausländer sollen sich entweder integrieren, d.h. sich um die deutsche Staatsbürgerschaft bemühen, oder aber in ihr Heimatland zurückkehren, wenn sie hier nicht mehr gebraucht werden. Ideologisch hält Zimmermann an diesem Grundsatz nach wie vor fest. Allein die Macht des Faktischen, die Arithmetik innerhalb der Koalition und nicht zuletzt der Einfluß vor allem der Katholischen Kirche haben ihm einen pragmatischen Kompromiß aufgenötigt. Und der heißt Ausländerintegrationsgesetz. Mit diesem Gesetzesentwurf gesteht Zimmermann zu, daß selbst die diffamatorische Rhetorik im Verein mit allen denkbaren Verwaltungsschickanen nicht in der Lage sein werden, den größeren Teil der bereits seit Jahren in der BRD lebenden Arbeitsimmigranten zur Rückkehr in ihr Herkunftsland zu bewegen. „Alle ausländischen Arbeitnehmer, die bis zum Inkrafttreten dieses Integrationsgesetzes erlaubt als Arbeitnehmer für eine nicht nur vorübergehende Beschäftigung eingereist sind“, soll leichterung für den Erwerb einer Aufenthaltsberechtigung nicht wesentlich hinaus. Einzig erkennbare Verbesserung ist ein eigenständiges Aufenthaltsrecht für Ehegatten nach drei Jahren. Forderungen nach weitgehender rechtlicher Gleichstellung mit Deutschen ab einem bestimmten Zeitpunkt des dauerhaften Wohnsitzes in der BRD oder nach der Zulassung einer doppelten Staatsangehörigkeit bzw. wenigstens der Erleichterung der Einbürgerung finden keinerlei Berücksichtigung. Für den überwiegenden Teil der Arbeitsimmigranten aus den klassischen Anwerbeländern Türkei und Jugoslawien (für die EG–Länder gelten andere Richtlinien) wird sich der Status quo kaum ändern. Deutlich wird dagegen der Schlußstrichcharakter des Gesetzes betont. Das Integrationsgesetz soll nur für Arbeitnehmer und deren Angehörigen gelten, die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes bereits im Bundesgebiet leben. Danach soll das Ausländeraufenthaltgesetz (AAG) zukünftige Einwanderungen verhindern. So wird der Nachzug von Kindern erheblich erschwert bis völlig unmöglich gemacht. Die zweite Generation, also die hier geborenen oder aufgewachsenen Kinder von Immigraten werden zur Assimilation gezwungen. Nach Inkrafttreten des Gesetzes können sie Ehegatten aus den Herkunftsländern nur noch dann nachholen, wenn sie eingebürgert sind oder eine Einbürgerung „aus von ihnen nicht zu vertretenden Gründen gescheitert ist“. Nach der von Zimmermann vorgeschlagenen Zäsur sollen auch Kinder nur noch bis zu sechs Jahren ein Rechtsanspruch auf Nachzug haben. Bei Kindern zwischen sechs und 15 Jahren entscheidet die Ausländerbehörde nach Ermessen. Wie dieses Ermessen ausgeübt werden soll, hat Zimmermann in der Präambel des zweiten Gesetzes festschreiben lassen. „Für die Ermessensausübung wird der Vorrang des öffentlichen Interesses vor den Belangen des Ausländers festgeschrieben.“ Die Definition des öffentlichen Interesses wird gleich mitgeliefert: „Jeder Staat hat die Pflicht, zuerst für das eigene Staatsvolk zu sorgen.“ Die Leitlinie des AAG ist unmißverständlich: „Ausländerrecht ist kein Einwanderungsrecht.“ Daraus folgt: „Ausländern sollen künftig grundsätzlich nur noch befristete Aufenthalte gewährt werden.“ Noch einmal soll es einer CDU– Regierung, von der ja des geltende Ausländerrecht stammt, nicht passieren, daß es unter ihr zu einer schleichenden Einwanderung von Ausländern kommt. Für den Fall des von Kanzleramtsminister Schäuble prognostizierten neuerlichen Bedarfs ausländischer Arbeitskräfte ab mitte der 90er Jahre soll diesmal eines ganz klar sein: Nach spätestens acht Jahren wird ein zu Arbeitszwecken eingereister Ausländer wieder draußen sein. Ausnahmen von dieser Regel soll es nur in begründeten Fällen geben. Im zukünftigen AAG werden drei Ausländergruppen unterschieden, für die ein jeweils unterschiedlicher Status gilt: die zukünftigen „Gastarbeiter“ erhalten eine Aufenthaltsgenehmigung (maximal acht Jahre), Ausländer, die zu einem zeitlich begrenzten Zweck in der BRD sind (z.B. Studenten), eine Aufenthaltsbewilligung, die von vorneherein eine spätere „Aufenthaltsverfestigung“ ausschließt; und sogenannte de–facto–Flüchtlinge, also Ausländer, die man aus humanitären oder politischen Gründen nicht abschieben kann, bekommen eine Aufenthaltsgestattung. Diese bietet den Behörden die Möglichkeit, ständig zu überprüfen, ob die Situation sich nicht dahingehend geändert hat, daß man wieder abschieben kann. Damit zukünftige Ausländergenerationen es dem deutschen „Gastgebern“ nicht wieder am nötigen Respekt fehlen lassen, werden die Ausweisungstatbestände erweitert: Wer die Bundesregierung oder eines ihrer Verfassungsorgane herabwürdigt, muß gehen. Jürgen Gottschlich INTERVIEW