piwik no script img

13 Jahre Haft für Abbas Hamadi

■ Der Deutsch–Libanese wurde vom OLG Düsseldorf wegen Entführung von Cordes und Schmidt in Tateinheit mit Nötigung von Verfassungsorganen verurteilt / Strafmaß geht über Forderung der Staatsanwaltschaft hinaus / Verteidigung kündigt Revision an

Aus Düsseldorf J.Nitschmann

Zu einer Freiheitsstrafe von 13 Jahren ist der Deutsch–Libanese Abbas Hamadi (29) wegen der Entführung der beiden Deutschen Rudolf Cordes und Alfred Schmidt in Tateinheit mit der Nötigung von Verfassungsorganen sowie verschiedener Verstöße gegen das Sprengstoff– und Luftfahrtgesetz am Dienstag vom Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf verurteilt worden. Nach 31 Verhandlungstagen sah es der Düsseldorfer Staatsschutzsenat als erwiesen an, daß der Angeklagte an der Geisel nahme der beiden bundesdeutschen Geschäftsleute Cordes und Schmidt Anfang vergangenen Jahres im Libanon „aktiv mitgewirkt“ hat. Mit diesen Aktionen habe die pro–iranische radikal– schiitische Hizbollah (“Partei Gottes“) die Bundesregierung unter Druck setzen wollen, um den inzwischen vor dem Frankfurter Oberlandesgericht wegen Mordes und Flugzeugentführung angeklagten Mohammad Hamadi freizupressen oder wenigstens dessen Auslieferung an die USA zu verhindern. Wegen der Entführung der amerikanischen TWA–Maschine im Juni 1986, bei der ein Marinetaucher erschossen worden war, droht Mohammad Hamadi in den USA die Todesstrafe. Mit seinem Urteil ging der 5.Strafsenat überraschend deutlich über den Strafantrag und die Tatsachenfeststellungen der Bundesanwaltschaft hinaus, die für Abbas Hamadi eine Freiheits strafe von elfeinhalb Jahren gefordert hatte. Unmittelbar nach der Urteilsverkündung kündigte die Verteidigung des Angeklagten eine Revision an. Die Hamadi– Anwälte hatten nach Abschluß der Beweisaufnahme in den Anklagepunkten der Entführung und Nötigung der Bundesregierung auf Freispruch plädiert; lediglich für die von ihrem Mandanten selbst eingestandenen Sprengstoffdelikte hielten sie eine einjährige Freiheitsstrafe für angemessen. Abbas Hamadi selbst reagierte auf das Urteil mit einer hämischen Fortsetzung Seite 2 Kommentar Seite 4 Beifallsbekundung. Während der über vierstündigen Urteilsbegründung spuckte er gegenüber den Richtern wiederholt aus, schüttelte unentwegt den Kopf und forderte immer wieder den Auftritt eines Dolmetschers, weil er „überhaupt nichts verstanden“ habe. Nach Auffassung des Staatsschutzsenates ist der Angeklagte insbesondere aufgrund seiner abgehörten Telefongespräche sowie der von ihm auf einem Schreiben des gekidnappten Schmidt hinterlassenen Fingerabdrücke der Beteiligung an den beiden Entführungsfällen „eindeutig über führt“. Die Auswertung der von Hamadi während der andauernden Entführungen aus Beirut mit Bekannten in der Bundesrepublik geführten Telefonate zeigten, „daß hier nicht ein Angeber oder Großmaul, sondern ein Insider gesprochen hat, der über alle Einzelheiten der Geiselnahmen eingeweiht war; es sprach der Entführer selbst“, sagte der Vorsitzende Richter Klaus Arend. Wenngleich dem Angeklagten „kein eigenhändiger Beitrag“ an den Verschleppungen von Cordes und Schmidt nachgewiesen werden könne, habe er doch von Anfang an dem engeren Kreis der Geiselnehmer angehört, „um sich zugunsten seines Bruders zu verwenden“. So habe der Angeklagte in den vom Bundeskriminalamt abgehörten Telefonaten sogar mit der „qualvollen Tötung“ der Geiseln gedroht, falls die Bundesregierung ihren Forderungen nicht nachkomme. Ferner zeigte sich das Gericht davon überzeugt, daß es sich bei dem fließend deutsch sprechenden Angeklagten um jene Person handelt, die in der Anfangsphase der Entführung als Dolmetscher fungierte. Hamadi sei der einzige im Entführerkreis gewesen, der überhaupt Deutsch gesprochen habe, und dies mit einer unverkennbaren saarländischen Einfärbung, wie sie das Geiselopfer Schmidt bei dem Dolmetscher herausgehört habe. Die gesicherten Fingerabdrücke von Abbas Hamadi auf einem Brief des gekidnappten Schmidt an seine Mutter vom 22.Januar vergangenen Jahres wertete das Gericht als Beweis dafür, daß der Angeklagte die Lebenszeichen der Geiseln auf mögliche Hinweise auf den Täterkreis und ihr Versteck kontrolliert habe. „Dieses Gericht möchte den Angeklagten aber nicht in die Hoffnungslosigkeit entlassen“, sagte der Vorsitzende Richter zum Abschluß seiner Urteilsbegründung offensichtlich vor allem mit Blick auf die Cordes–Entführer: „Dieser Staat ist nicht unversöhnlich und seine Richter sind keine Rachegeister.“ Wenn Rudolf Cordes „bald unbeschädigt“ freigelassen werde und sich der Angeklagte in der Haft tadelsfrei führe, „darf er hoffen, vorzeitig entlassen zu werden“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen