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Jumbo entließ seine Märtyrer

■ Entführer des kuwaitischen Flugzeugs ließen Geiseln frei / Kidnapper noch in Algier?

Algier/Kuwait (afp/rtr) - Das Geiseldrama um die vor 16 Tagen entführte kuwaitische Verkehrsmaschine ist am Mittwoch morgen auf dem Flughafen Algier ohne weiteres Blutvergießen zu Ende gegangen. Gegen sieben Uhr morgens wurden nach einwöchigen zähen Verhandlungen der algerischen Vermittler alle 24 Passagiere und die sieben Besatzungsmitglieder der Boeing 747 freigelassen. Die Entführer waren nach der Freilassung nicht mehr in der Maschine. Es wurde gestern vermutet, daß sie bereits vor den Geiseln von Bord gegangen waren. Nach kuwaitischen Angaben sollen die sieben Männer dagegen kurz nach der Freilassung ihrer Geiseln Algier in einer Sondermaschine Algier verlassen haben. Vor Abbruch ihrer Aktion hatten die Entführer in einem Funkspruch an den Kontrollturm Algier versichert, sie würden auch weiterhin an ihrem Ziel einer Befreiung der 17 Gefangenen aus kuwaitischen Gefängnissen festhalten. Algeriens Innenminister Hedi Khediri unterstrich vor Journalisten, daß das Schicksal der Entführer eine Frage sei, die „nur Algerien etwas angeht“. Ob Kuwait Eingeständnisse gegenüber den Hijackern gemacht hat, konnte nicht bestätigt werden, doch kursierten in Algier Gerüchte über hohe Geldsummen, die Kuwait an eine unbestimmte Adresse gezahlt habe. „Danke an Algerien, Dank an Allah, es war sehr hart, aber wir sind heil davon gekommen“, rief einer der freigelassenen Passagiere, ein junger Mann, den wartenden Journalisten ins Mikrofon. Fortsetzung auf Seite 6 Er gab an, wie auch die anderen Geiseln von den Entführern mißhandelt worden zu sein. Die Passagiere und drei der Besatzungsmitglieder, darunter der Kapitän, wurden unmittelbar nach ihrer Freilassung in ein algerisches Militärkrankenhaus gebracht. Nach ersten medizinischen Untersuchungen teilten Ärzte mit, alle seien „bei guter Gesundheit“, bräuchten jetzt aber „viel Ruhe“. Die drei Mitglieder der kuwai tischen Herrscherfamilie, zwei Frauen und ein Mann, wurden nach ihrer Freilassung mit einer Eskorte an einen nicht näher genannten Ort gebracht. Dem Mann soll es nach Aussagen anderer Ex– Geiseln am schlechtesten von allen gegangen sein. Noch in den frühen Morgenstunden, kurz vor der Freilassung der Geiseln, hatte der Emir von Kuwait, Scheich Jaber al Ahmed al Jaber al Sabah, dem algerischen Präsidenten Benjeddid Chadli ein Dankestelegramm geschickt. In Kuwait herrschte unterdessen ausgelassene Freude und ungebremster Nationalstolz: Freuden tänze auf den Straßen und hupende Autokolonnen jubelnder Kuwaitis. „Glückwunsch für den Sieg Kuwaits“, so weckte ein Rundfunksprecher seine Landsleute. Vor der Abfahrt ins Krankenhaus berichteten einige der Freigelassenen von ihren Erlebnissen an Bord während des über zweiwöchigen Alptraums. Der 21jährige Mustafa Ali, ein Computerfachmann aus Kuwait, erzählte: „Ich wußte nicht, daß sie zwei Passagiere getötet hatten. Die Entführer sprachen nur wenige Worte mit uns. Sie sagten: Setzt euch; seid still; da ist das Essen; ihr werdet schon sehen... Heute morgen ka men die Leute von der algerischen Regierung und weckten uns: take it easy, keep cool, you are free - wir waren frei.“ Der 28jährige kuwaitische Steward Mohamed el Dukhi erzählte, die Entführer seinen „echte Profis“ gewesen. „Die haben keinen einzigen Fehler gemacht“. Er und seine Kollegen sagten übereinstimmend aus, zu den ursprünglich vier Entführern seien im iranischen Mesched drei weitere zugestiegen. Der Jumbo–Jet der „Kuwait Airways“ war am 5. April auf dem Flug von Bangkok in das Emirat nach Mesched umgeleitet worden. Drei Tage später startete die Maschine von dort mit Ziel Beirut, wo sie trotz massiver Drohungen jedoch keine Landeerlaubnis erhielt. Nach dramatischen Wortwechseln zwischen Cockpit und Kontrollturm der libanesischen Hauptstadt, 22maligem Überkreisen des Flughafens und einem mißglückten Landeversuch drehte die Boeing auf Anweisung der Geiselnehmer schließlich ab und landete mit dem letzten Tropfen Treibstoffs in Larnaca, Zypern. Dort ermordeten die Entführer zwei ihrer kuwaitischen Geiseln, bevor sie vor einer Woche nach Algier weiterflogen.

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