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Rosa und andere Listen

■ Kriminal–Hauptkommissar Manfred Such, Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft kritischer Polizisten, über die Kölner Ermittlungen in der Schwulen–Szene / Vergehen entspricht „Denkungsweise einer Rosa Liste“

Nach der Ermordung eines homosexuellen Kellners hat die Polizei in Köln 200 Schwule überprüft und 119 von ihnen zum Blutgruppen– Nachweis vorgeladen (die Blutgruppe des gesuchten, vermutlich ebenfalls homosexuellen Täters ist bekannt). Woher hatte die Polizei die Adressen von 200 Schwulen? Gibt es in Köln entgegen dem Polizeidementi eine „Rosa Liste“? taz: Die Existenz von „Rosa Listen“ bei der Polizei ist immer wieder diskutiert worden. Einerseits zweifelt niemand, daß es in einigen Städten solche Listen gab und gibt, andererseits ist dies nicht zu beweisen. Kann die Bundesarbeitsgemeinschaft kritischer Polizisten mit Bestimmheit sagen, daß es solche Schwulen–Listen gibt? Manfred Such: Wir können es nicht mit Bestimmtheit sagen. Wir können aber aus unserer eigenen Erfahrung berichten. Ich weiß, daß es Kriminalbeamte gibt, die alle möglichen Listen führen. Da werden auch Listen geführt über KFZ–Einbrecher usw. Das läuft am Rande der Legalität und wird an höchster Stelle bestritten. Ich glaube auch, daß an höchster Stelle tatsächlich oft nicht bekannt ist, welche Listen von wem geführt werden. Sind KollegInnen von Ihnen aus der Arbeitsgemeinschaft bei der Observierung der Schwulen–Szene im Einsatz gewesen? Das wird gemacht. Ich weiß aus eigener Erfahrung, daß Kollegen und Kolleginnen die Schwulenszene beobachtet haben. An welchen Orten? Das wird im Bahnhofsbereich gemacht und an den anderen Treffpunkten der Szene, die der Polizei in den Großstädten bekannt sind. Diese Treffpunkte werden observiert. Das wurde auch in Köln gemacht. Aus welchem Grund? Die Hauptmotive liegen in der Bekämpfung der Strichjungen–Kriminalität. Man will deren Aktivitäten beobachten. Wie beurteilst Du den jetzt bekannt gewordenen Kölner Fall? Ich habe dazu ein Streitgespräch mit dem Kollegen Schmidt, dem Sprecher der Kölner Polizei, geführt. Da war für mich zunächst interessant, daß er mich als „angeblichen Kollegen“ bezeichnet hat. Das zeigt das Denken dieser Kollegen. Wer bestimmte Machenschaften kritisch hinterfragt, wird als fragwürdiger Kollege diffamiert. Der Polizeisprecher hat dann erklärt, daß 90 Adressen bei dem Opfer gefunden wurden. Ich halte es für strafrechtlich und kriminalistisch zulässig, diese 90 Personen zu überprüfen. Es wurden aber insgesamt 200 Homosexuelle überprüft, noch weitere 110 Personen zusätzlich. Man hat also Homosexuelle prinzipiell als Tatverdächtige angesehen. Ich frage mich: Wenn man eine Reinemachefrau im Adressbuch gefunden hätte, ob man dann auch alle Reinemache–Frauen vorgeladen hätte. Im Adressbuch des Getöteten standen vermutlich nicht nur Adressen von Schwulen. Woher weiß man, wer schwul ist, es gab ja hinter den Namen sicherlich keinen Vermerk Klammer–auf–schwul–Klammer–zu? Es könnte zumindest sein, daß dies ein Telefon–Buch mit überwiegend schwulen Kontaktpersonen war. Mit dem Adressbuch habe ich auch keine Probleme. Aber jetzt alle Homosexuellen, die man kennt, zu überprüfen, das geht zu weit. Selbst wenn es in Köln keine „Rosa Liste“ gab: Dieses Vorgehen entspricht zumindest der Denkungsweise einer „Rosa Liste“. Und zumindest für diesen Fall wurde in Köln eine Liste erstellt. Interview: Manfred Kriener

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