: Inflationsphobie und starkes Pfund
■ Maggie Thatcher will nicht in das Europäische Wechselkurssystem
Aus London Rolf Paasch
Wieviel ist das britische Pfund wirklich wert? Über die vergangenen zwei Jahre ist die britische Währung gegenüber der DM um 25 Prozent abgewertet worden, bis es sich bei einem Kurs von drei Mark einpendelte. Dies, so erklärte Schatzkanzler Nigel Lawson dann zu Jahresbeginn voreilig, sei der Wechselkurs, auf den die britischen Unternehmer ihre zukünftigen Exportstrategien bauen könnten. Doch Frau Thatchers Kassenwart hatte die Rechnung ohne die Amateur–Ökonomin aus dem Krämerladen von Grantham gemacht. Als das Pfund im März zu steigen begann, verdonnerte die Lady die Bank von England zu untätigem Zusehen. Später sollte der Interventionspunkt dann bei 3,12 DM liegen, bis auch diese Marke passiert wurde; heute liegt das Pfund bei 3,15 DM, ohne das sich eine intervenierende Hand regte. Der Grund: Interventionen auf den Geldmärkten passen nicht ins ideologische Konzept der Thatcherschen Hausfrauen–Economics; für die Eiserne Lady ist das Aufkaufen von Dollar und DM nichts als sinnlose Geldverschwendung. Während Schatzkanzler Lawson längst - am liebsten bei einem Kurs von drei Mark - ins EWS eingetreten wäre, während alles über Europa redet und Franzosen wie Bundesdeutsche bereits über eine europäische Notenbank diskutieren, bleibt Großbritannien einmal mehr störrisch vor den Toren des Währungsparks der Europäischen Gemeinde stehen. Und alles nur, weil die Premierministerin die Inflationsrate von vier Prozent mit einem Festhalten an ihrer Hochzinspolitik auf Null drücken will und damit ein starkes Pfund inkauf–nehmen muß. Sehr zur Freude der Londoner City und zum Leidwesen britischer Unternehmer. Während diese Hochzinspolitik für die überhitzte Ökonomie des englischen Südens genau das Richtige sein mag, dürfte sie für die Reste der verarbeitenden Industrien im Norden genau das falsche Rezept darstellen. Die ökonomische und soziale Spaltung Großbritanniens wird durch eine so undifferenzierte Zins– und Währungspolitik noch weiter vertieft. Einige Börsenexperten vermuten denn auch, daß - wenn der künstliche Boom in Englands Süden demnächst in sich zusammenfällt - das Pfund bei Jahresende auch wieder unter drei Mark liegen dürfte.
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