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Das Wahlvolk ist müde

Gleich der erste Versuch, das Wahlvolk selbst und die Parteibasis zu Wort kommen zu lassen, ging voll in die Hose. Tausend Flugblätter hatte die SPD in Flintbek, einem Vorort von Kiel, verteilen lassen, damit „Jugendliche mehr Glaubwürdigkeit in der Politik fordern“ sollten. Keiner forderte, keiner kam, die Veranstalter blieben mutterseelenallein. Trost kam nur von der Jungen Union: „Das hätte uns genauso passieren können“, meinte JU– Landessprecher Ingbert Liebing mit Wärme in der Stimme. Ähnliche Erfahrungen machen die Strategen aller Parteien. Aufsehen erregte SPD–Landtagspräsidentin Lianne Paulina–Mürl mit ihrer Einladung an Schulen, die Barschel–Affäre zu diskutieren. Ganze vier Gymnasialklassen waren interessiert. Ihr eigener Sohn fand Mutters Angebot auch nicht witzig: „Jetzt kommst du auch noch und willst uns vollabern.“ Die eigentliche Ursache für die Lahmheit des Wahlkampfes liegt in der Barschel–Affäre: Die Sitzungen des Untersuchungsausschusses waren der eigentliche Wahlkampf. Nach der letzten Landtagssitzung Anfang März war alles gesagt, alles klar. Jeder wartet nur noch auf den 8.Mai. Darum herrscht bei der SPD die bange Sorge: Kann es passieren, daß die Wähler noch vor dem 8.Mai wieder einschlafen? Die CDU hat es geschafft, zu ihrer Eröffnungs–Groß–Show nur soviel Leute zu mobilisieren wie die Grünen zu Jutta Ditfurth in Kiel: 400 Anhänger. Die CDU füllt nur dort die kleinen Säle, wo ihr Spitzenkandidat Heiko Hoffmann auf dem Programm steht. Und wo er auftaucht, sind auch die CDU–Mittelständler präsent und zeigen, daß sie Hoffmann für einen Laumann halten. Wie weit die „Knochenerweichung“ der CDU in der Atomenergiefrage noch gehen solle, wird er gefragt, bleibt die Antwort schuldig und läßt sich die Veranstaltung vom Chef einer kleinen Werft widerstandslos aus der Hand nehmen. Zahnärzte, Rechtsanwälte und selbständige Malermeister werden scharenweise zur FDP überlaufen, erwarten CDU–Insider. Die FDP ist in Schleswig–Holstein vollauf damit beschäftigt, die CDU anzutreiben. „Sollen wir sie noch zum Jagen tragen?“ murrt FDP–Chef Zumpfort. Sein Unbehagen teilt der Flensburger CDU– Abgeordnete Stich. Als einer der wenigen munteren Männer in der CDU hat Stich festgestellt, daß seiner Partei „ein organisatorischer Kopf mit der nötigen Autorität fehlt“. Recht hat er: Der CDU– Landesverband ist ohne Generalsekretär in den Wahlkmapf gegangen, und Stoltenberg ist so wenig präsent wie eh und je. Die Grünen halten sich an zwei Strohhalmen gleichzeitig fest: an den 400 Besuchern ihrer Auftaktveranstaltung mit Ditfurth, Peggy Parnass und Walter Mossmann und an einer äußerst zweifelhaften Umfrage des dubiosen Wickert– Institutes, die ihnen 7,2 Prozent zubilligt. Seit der Veröffentlichung dieser Umfrage in den konservativen Kieler Nachrichten schweben die Fundis um Spitzenkandidatin Tamara Tschikowani auf Wolken. Dabei war die Öko– Partei noch nie so isoliert wie heute. Für die Moderation ihrer Auftaktshow ließ sich nach zahllosen Absagen nur ein einziger Journalist finden. Vor zwei Jahren noch hätte sich die Presse darum gerissen, auf dem Podium der Grünen die Rednerliste führen zu dürfen. Jörg Feldner

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