: Mitterrand bleibt König der Franzosen?
■ Der sozialistische Präsidentschaftskandidat hat über Jacques Chirac gesiegt / Nur noch Unsicherheit über die Höhe des Sieges von Mitterrand / Wahrscheinlich vorgezogene Parlamentswahlen bei Wahlsieg des alten und neuen Staatspräsidenten
Aus Paris Georg Blume
Geiselbefreiung hin, Kanakenmassaker her - Zweifel am Sieg Francois Mitterrands beim zweiten Wahlgang der französischen Präsidentschaftswahlen wollten in Frankreich trotz der turbulenten Ereignisse der letzten Tage nicht mehr aufkommen. Nach ersten aus Frankreich vorliegenden Meldungen, die auf einer verläßlichen Hochrechnung basieren, hat Francois Mitterand zwischen 53 und 55 gewonnen und damit seinen Kontrahenten Jacques Chirac deutlich geschlagen. Schon als die Wahlbeteiligung gegen Mittag höher als beim ersten Wahlgang vor vierzehn Tagen lag, konnte Mitterrand beruhigt sein. Seine größte Befürchtung vor der Wahl lag darin, daß linke Wähler zur Enthaltung neigen könnten. Bis 17.00 Uhr hatten 70,13 Prozent der Wähler ihre Stimme abgegeben. Das sind zwei Prozent weniger, als bei den Wahlen im Jahr 1981, aber ein Prozent mehr als beim ersten Wahlgang. In Paris und im Überseegebiet Neukaledonien war der Wahltag von politischer Gewalt überschattet. In der französischen Hauptstadt wurden neun rechtsextreme Demonstranten bei einem Umzug von Unbekannten zusammengeschlagen. Der schwerste Zwischenfall in Neukaledonien ereignete sich, als Unbekannte einen Bus in Brand setzten und dessen Fahrer durch Schüsse in die Beine verletzten. In dem Überseegebiet lag die Wahlbeteiligung bei 61,69 Die eigentliche Entscheidung der Wahl war schon beim ersten Wahlgang gefallen. Mit einem Vorsprung von 14 Rivalen Chirac konnte der amtie rende Präsident dem endgültigen Wahlentscheid der Franzosen zuversichtlich entgegensteuern. Noch bei keiner Präsidentschaftswahl widerlegten die Wähler beim zweiten Wahlgang den Trend des ersten. Letzte Umfragen vor einer Woche sagten einen historischen Sieg Mitterrands voraus, der erreicht wäre, wenn der sozialistische Kandidat über 55 auf sich vereinigt. Mitterrand würde dann das Wahlergebnis von General de Gaulle aus dem Jahr 1965 übertreffen. Dann dürfte Mitterand eine rasche Regierungsbildung unter Beteiligung unabhängiger Zentrumspolitiker möglich sein. Auf der anderen Seite kann sich Jacques Chirac erst einen guten Verlierer nennen, wenn er 48 Prozent der Stimmen erreicht. Die bürgerlichen Rechtsparteien, die noch die Mehrheit im Parlament innehalten, würden nach einem ehrenvollen Abgang ihres Premierministers alle Chancen wahren, bei vorgezogenen Parlamentswahlen einen erneuten Sieg zu erlangen. Ein Wahlerfolg Mitterrands hätte den sofortigen Rücktritt Chiracs vom Posten des Premiers zur Folge. Mitterrand hat für diesen Fall versprochen, die Regierungsbildung innerhalb von fünf Tagen abzuschließen. Der Name der neuen Premierministers dürfte bis Mitte der Woche bekannt sein. Aussichtreichste Kandidaten für das Amt des Regierungschefs sind nach einem Wahlsieg Mitterrands der ehemalige sozialistische Wirtschaftsminister Pierre Beregovoy und der Sozialist Michel Rocard, der lange Zeit mit Mitterrand um die Präsidentschaftskandidatur konkurrierte. WANN STARB THÄLMANN?
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