: „Ohne uns Frauen läuft nix...“
■ Broschüre des Westberliner IWF/Weltbank–Frauenplenums / Wie Imperialismus und Patriarchat zusammenhängen
(...) Zum Klassenkampf, zur Organisation des Widerstandes gegen das Kapital, dessen Angriff sich bis in die letzten gesellschaftlichen Winkel und scheinbare Nischen erstreckt, gibt es in der Metropole nicht weniger Anlaß als in den Ländern der sogenannten Dritten Welt. (...) Die Unterwerfung der Frauen ist die materielle Basis für die Ausbeutung der Arbeitskraft. Lohnarbeit ist ohne die - unbezahlte, in den Individualbereich abgedrängte und von den linken Theorien kaum beachtete - Reproduktionsarbeit von uns Frauen nicht denkbar. In diesem Sinn ist auch der antipatriarchale Kampf nicht Teil des antiimperialistischen Kampfes, sondern sein Ausgangs. D.h., Klassenkampf ist nach unserer Bestimmung nur antiimperialistisch, wenn er sich in seinem Kern antipatriarchalisch versteht. Anders herum betrachtet: der Kapitalismus, oder in seiner politischen Organisation: der Imperialismus - ist die konkrete, weltweit vorherrschende Form des Patriarchats. Der antipatriarchale Kampf hat sich also notwendigerweise auf Kapitalismus und Imperialismus zu beziehen und alle anderen Formen von Frauenkampf gegen Männergewalt müssen letztlich in diesem Kontext als dem übergeordneten münden. In dieser Frage teilte sich das Westberliner IWF–Plenum vor einem Jahr in ein Frauen– und ein Männerplenum. Nicht nur an der Theorie spaltete sich die Gruppe, sondern vor allem an der Praxis unserer Diskussion. (...) Vom letzten Sommer an haben wir Frauen uns intensiv um die Weiterarbeit an unseren theoretischen Vorstellungen und den daraus folgenden Ansätzen für eine revolutionäre Praxis (die nur eine feministische sein kann) bemüht. Wir mußten bald erkennen, daß wir mit den patriarchal geformten Begrifflichkeiten immer wieder in Denk–Sackgassen gerieten. Vor allem mit dem Anspruch, patriarchale und kapitalistische Unterdrückung (z.B. in der Frage der Klassen–Definition) begrifflich unter einen Hut zu bringen. Aber wir haben kaum andere Instrumente zum Verständnis unserer Wirklichkeit als die über Jahrhunderte zusammengemauerten Männertheorien - das reicht von Karl Marx bis Detlef Hartmann. Werlhof, Mies und die anderen Frauen der Bielefelder Schule haben zwar wichtige Beiträge geleistet, die Reproduktionsarbeit als Basis des Kapitalismus zu verstehen, können aber zur Neubestimmung der Frauen als revolutionäres Subjekt im antiimperialistischen Kampf wenig beitragen. In den verschiedenen Länderbeispielen, auf die sie sich beziehen, schildern sie Frauen als handelnde, ihrer Unterwerfung widerstehende Menschen. In ihren theoretischen Ansätzen findet sich die revolutionäre Subjektivität der Frauen allerdings nicht wieder. Da erscheinen die Frauen in aller Welt dann doch wieder als die Hilflosen, doppelt Ausgebeuteten, die sich von Männern und Kapital beliebig hin– und herschubsen lassen. Und in den Vorschlägen von Mies und Werlhof zu einer feministischen Praxis in der Metropole zeigt sich dann, daß sie ihre eigenen Analysen nicht verstanden haben, wenn sie biologistische Lösungen empfehlen und meinen, daß die Frauenbefreiung von den Müttern ausgehen kann, einfach deshalb, weil sie Mütter sind. Darin finden wir uns nicht wieder, und so sehen wir unsere Aufgabe auch nicht, die Bürde gesellschaftlicher Veränderungen auf unsere Last–erprobten Frauen– und Mütter–Schultern zu nehmen. Frauen sind weder so geduldig noch so ohnmächtig, wie sie in vielen Analysen dargestellt werden. Wir sind davon überzeugt, daß die Kapitalstrategien, die im Rahmen der IWF–Kampagne jetzt von vielen untersucht werden, ganz wesentlich auch dadurch bestimmt sind, daß sie auf unsichtbare oder unsichtbar gehaltene, aber auch auf offen ausbrechende Formen von Frauenwiderstand reagieren müssen. Der Klassenkampf, der ein Frauenkampf ist, spielt sich auf zwei Ebenen ab: Einmal da, wo das Kapital Frauen unmittelbar auszubeuten versucht. Der Kampf der Frauen in Südkorea gegen Adler ist da nur das spektakulärste Beispiel. Zum anderen da, wo sich die vom Kapital ausgebeuteten Männer durch sexistische Gewalt an Frauen entschädigen und sich so mit dem Kapital verbünden. Als Beispiele sollen nur der zunehmende Sextourismus oder prügelnde Ehemänner genannt werden, die ihren Betriebs–Frust zuhause abreagieren. Die Widerstandsformen gegen diese zweite Ebene von Frauenunterdrückung sind schwer zu erkennen. Sie sind individualisiert. (...) Wir wissen zu wenig über diese Widerstandsformen (Vielleicht entgehen sie uns sogar häufig als Beweggründe in unserem eigenen Leben!). Das von den Medien transportierte und in unseren Köpfen festgesetzte Bild von Widerstand ist das des steinewerfenden Straßenkämpfers. Inzwischen wird es in autonomen/antiimperialistischen Kreisen oft modisch in das der Frau mit der Knarre in der Hand übersetzt. Muß feministischer Kampf zwangsläufig so aussehen? Ist das die einzige Erscheinungsform, an der wir ihn erkennen? Lassen wir uns von männlichen Leitbildern nicht einschnüren! Auf der einen Seite können wir uns nicht damit begnügen, alle möglichen Formen von Widerstand, egal aus welchem Selbstverständnis er entspringt, zum Klassenkampf zu erklären. Nur wenn Widerstand aus seiner individualistischen Orientierungslosigkeit herauskommt, sich als kollektives Anliegen begreift und zum offenen Angriff gegen Ausbeutung und Unterdrückung übergeht, kann er mehr werden als ein bloßes Hindernis für den Imperialismus und uns einer revolutionären Situation näherbringen. Auf der anderen Seite müssen feministische Ausformungen des offensiv gewendeten Klassenwiderstandes, auch aus einem internationalistischen Verständnis heraus, erst noch entwickelt werden. Bis dahin ist es ein weiter Weg. Erste Schritte dazu haben wir z.B. mit der internationalen Frauen–Demonstration am 8. März in Westberlin versucht. Aus den Vorbereitungen zu dieser Demonstration entstand ein praktischer Zusammenhang mit ausländischen Frauen, in dem wir lernen, die Unterdrückung der Frauen in anderen Ländern besser zu verstehen und uns mit ihren Ansätzen von Kampf dagegen auseinanderzusetzen, umgekehrt uns auch ihrer Kritik auszusetzen. Kontaktadresse und Bestellung: Buchladen Schwarze Risse, Gneisenaustraße 2, 1000 Berlin 61, Tel. 030/6928779. Nur bei Vorauszahlung von 6 DM auf das PSchA Berlin Konto 290891–103, M. Junk
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