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US–Gericht schränkt Forschung des Pentagon ein

■ Elf militärische Anlagen, sogenannte Elektromagnetische Puls Simulatoren, wurden per Gerichtsbeschluß lahmgelegt, weil Umweltgutachten fehlte / „Elektronische Umweltverschmutzung“ durch energiearme elektromagnetische Strahlung macht Schlagzeilen

Aus Washington Silvia Sanides

„Dies ist ein bedeutender Schritt in der Kampagne gegen die Strategische Verteidigungsinitiative und andere auf Zukunftstechnologien basierende Militärprogramm betreiben darf. Es geht um „Elektromagnetische Puls Simulatore Auswirkungen elektromagnetischer Wellen auf moderne Waffentechnologien. Insbesondere Kommunikationssysteme, Computersteuerungen, Radaranlagen und andere elektronische Einrich tungen können durch hochkonzentrierte elektromagnetische Strahlung beschädigt oder außer Kraft gesetzt werden. Dem Pentagon geht es darum, Waffen zu entwickeln, die speziell gegen diese Strahlung abgehärtet sind. Die Auswirkungen des elektromagnetischen Pulses erkannten US–Waffenexperten 1962 nach einer oberirdischen Atombombenexplosion im Pazifik. Damals gingen im 1.200 Kilometer entfernten Honolulu die Lichter aus, Alarmanlagen wurden ausgelöst und Sicherungen brannten durch. Da kurze Zeit später der Vertrag zum Verbot oberirdischer Atombombentests in Kraft trat, konnten die Amerikaner dieses Phänomen nicht mehr im Rahmen von Bombentests erforschen. Kalte Krieger des Pentagons behaupten zuweilen, daß die Sowjetunion just zu dem Zeitpunkt zum oberirdischen Testverbot gedrängt habe, weil sie die elektromagnetische Strahlung der Bombenexplosionen bereits früher entdeckt hatte. Amerikanische Waffenforscher haben sich seither für die Arbeit auf diesem Gebiet der in Simulatoren erzeugten elektromagnetischen Pulse bedienen müssen. Nach der Entscheidung der vergangenen Woche wird das Pentagon diese Art der Forschung jedoch nur noch begrenzt betreiben können. Rifkins FET und eine weitere Umweltgruppe waren bereits vor einem Jahr mit der Klage vor Gericht gegangen, daß das Pentagon die EMP–Simulatoren illegal betreibe. Begründung: Für Bau und Betrieb der Anlagen war kein Umweltgutachten erstellt worden. Dies aber verstoße gegen das US–Umweltschutzgesetz (National Environmental Policy Act). Richter Garrett Penn gab den Klägern recht, und das Pentagon wurde verpflichtet, Umweltgutachten für alle Simulatoren zu erstellen. In der Zwischenzeit dürfen die Anlagen gar nicht bzw. eingeschränkt betrieben werden. Umweltgutachten, so hoffen die Kläger, werden die Gefahren dieser Anlagen einer breiten Öffentlichkeit bekannt machen: Neben der Störung von Telefon–, Fernseh–, Radio– und Computerverbindung sei der zivile Flugverkehr gefährdet. Ein in Virginia gelegener EMP–Simulator, argumentieren einige Umweltschützer, könnte die in der Nähe des Marinehafen Norfolk gelagerten Atomwaffen zur Explosion bringen. Weiterhin haben Studien in den vergangenen Jahren wiederholt ergeben, daß elektromagnetische Strahlung dieser Art in der Tat negative Auswirkungen auf Lebewesen haben kann. Lange Zeit war angenommen worden, lediglich energiereiche elektromagnetische Strahlung wie Gamma–, Röntgen– und UV– Strahlung sei gesundheitsschädlich. Energiearme elektromagnetische Strahlung, die vom sichtbaren Licht über Infrarot zu Mikrowellen, Radio–, Fernseh– und Radarwellen und Wechselstrom reicht, wurde als unbedenklich angesehen. US–Studien jüngerer Zeit haben jedoch ergeben, daß Arbeiter, die am Arbeitsplatz elektrischem Strom ausgesetzt sind, oder Menschen, die in der Nähe von Hochspannungsleitungen leben, vermehrt an Gehirntumoren und anderen Krebsformen erkranken. Eine schwedische Untersuchung an Angestellten einer Radaranlage ergab ähnliche Ergebnisse. Die Behandlung von Hühnerembryonen mit elektromagnetischer Strahlung führte zu schweren Gehirnschäden der Embryonen. „Eine neue Art der Umweltverschmutzung, elektronische Verschmutzung, wird in den kommenden Jahrzehnten berücksichtigt werden müssen“, resümierte Rifkin seinen Erfolg. Hochspannungsleitungen, Mikrowellenöfen, Autotelefon, Videobildschirme, Radio und Fernsehen, die Paraphernalien des modernen Lebens scheinen mehr Gefahren zu bergen als bisher vermutet. Daß eine US–Bundesbehörde erstmals anerkennen mußte, daß diese Gefahr existiert, feierten Umweltgruppen als einen wichtigen Nebenerfolg ihrer Kampagne gegen die EMP–Simulatoren des Pentagon.

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