Anklage gegen HIV–Positiven

Nürnberg (taz) - Die Staatsanwaltschaft in Kempten (Allgäu) hat gegen einen HIV–Positiven, der derzeit in Untersuchungshaft sitzt, Anklage erhoben. Dem 32jährigen Homosexuellen, der seit dem 28.Januar in Haft ist, wird nach zweimaligem ungeschütztem Geschlechtsverkehr der Tatbestand „versuchter Totschlag“ vorgeworfen. Der Beschuldigte soll „in zwei Fällen versucht haben, einen Menschen zu töten“. Die Anklagebehörde beantragte die Eröffnung eines Verfahrens vor dem Landgericht in Kempten. Im April und Mai letzten Jahres soll der 32jährige mit zwei männlichen Partnern jeweils ungeschützt Geschlechtsvekehr ausgeübt und seinen Partnern seine Infektion verschwiegen haben. Insbesondere wird ihm vom leitenden Staatsanwalt Nagel vorgeworfen, vor Kenntnis seiner HIV– Infektion Kondome benutzt zu haben. Nach seiner ärztlichen Aufklärung habe er dann aber eine „Desperado–Mentalität“ an den Tag gelegt. Den Beteuerungen des Angeschuldigten, daß seine Partner von seiner Aids–Infizierung gewußt hätten, schenkte die Anklagebehörde keinen Glauben. Im Gegensatz dazu bekundete der Vorgesetzte des Angeklagten, daß dessen mögliche HIV–Infektion Tagesgespräch in der Kemptener Schwulen–Szene gewesen sei. Wie unterdessen bekannt wurde, soll jetzt erstmals in Bayern ein Aids–Kranker unter behördliche „Aufsicht“ gestellt werden. Wie die stellvertretende Leiterin des Münchener Gesundheitsamtes bestätigte, wird für den „psychisch gestörten Mann“ derzeit eine „intensiv betreuende Wohnform“ gesucht. Nach ihren Ausführungen besteht die Gefahr, daß der Aids–Kranke unbeaufsichtigt andere Menschen infiziere, da seine „Triebdynamik“ außer Kontrolle geraten sei. Wolfgang Gast