: Ein Unterschied namens Detari Eintracht Frankfurt zum viertenmal Pokalsieger / Bochum überraschend stark / Freistoß bringt Entscheidung
Ein Unterschied namens Detari
Eintracht Frankfurt zum viertenmal Pokalsieger / Bochum
überraschend stark / Freistoß bringt Entscheidung
Berlin (taz) - Es war ein Bild des Jammers. Nach dem Schlußpfiff von Schiedsrichter Heitmann, der ob des Trubels im Stadion mehr als Handbewegung denn akustisch zu vernehmen war, sanken die Bochumer Spieler zu Boden, wo immer sie sich gerade befanden. Minuten noch saßen sie da, kopfschüttelnd, während sich die Frankfurter in der Fankurve feiern ließen. Ganze neun Minuten war der Außenseiter aus dem Ruhrgebiet davon entfernt gewesen, zumindest die Verlängerung zu erreichen, als sich Lajos Detari 22 Meter vor dem Tor den Ball zum Freistoß zurecht legte. Nach kurzem Anlauf beförderte der Ungar das Leder über die Mauer ins Netz.
Dabei hatte für Bochum alles so gut angefangen. Von einigen zauberhaften Einlagen Detaris abgesehen, spielten nur sie, und das in einer Weise, die selbst eingefleischte Anhänger verwunderte. Immer wieder blockten die Mittelfeldakteure Reekers, Legat und Rzehaczek frühzeitig Frankfurter Angriffe, trugen sie unter Nutzung des ganzen Raumes den Ball mit unkomplizierten Aktionen nach vorne. Dort aber stand dann nur Uwe Leifeld, im und um den Strafraum ziemlich alleine gelassen. Was nutzte es da, daß er schneller war als sein Kontrahent Körbel? Keiner kam, ihn dann zu unterstützen, und das war es wohl, was Ex-Trainer Schafstall hinterher meinte: Die Bochumer hätten „einfach beherzter“ ihre Chance suchen sollen.
So aber blieben ihre Mühen ohne zählbaren Erfolg, und nach der Pause konnten die Frankfurter wesentlich ungestörter agieren. Jetzt waren auch Schulz und Sievers zu sehen, rannte selbst Abwanderer Smolarek munter nach dem Leder. Und Zumdicks Tor kam erstmal ernsthaft in Gefahr. Wacker hielt er sich bei all den Kopfbällen und Schüssen, doch was soll einer dann machen bei einem Freistoß, den er gar nicht kommen sieht?
Absender Detari erklärte später im Hotelflur, als er längst das Trikot mit Schlips und Kragen vertauscht hatte, das sei halt seine Position. Stunde um Stunde habe er in Ungarn Freistöße geübt, jeden Tag, aus allen Entfernungen, bis er es zu dieser kaum nachahmlichen Meisterschaft gebracht habe. Und als dann der Ball da lag, unweit des Strafraums und halblinks vor dem Tor, da wußte er, das ist es, „zu hundert Prozent“.Ein anderer, dem nicht weniger Fähigkeiten nachgesagt werden als dem Frankfurter Virtuosen, blieb der große Auftritt versagt. Andrzej Iwan, der Pole, ging mit der Gewißheit ins Spiel, den Montag unterm Arztmesser zu verbringen. Doch der Meniskusgeschädigte wollte dabeisein beim Finale, und da er drohte, „wenn nicht darf spielen, Iwan muß sterben“, entschied sich Trainer Gerland schon aus humanen Gründen für die Aufstellung. Möglichkeiten hatte er dann, denn dem anfänglichen Bochumer Druck entsprangen zahlreiche Freistöße. Es blieb bei Versuchen.
Immerhin, die Bochumer hatten nicht nur „ihre Pflicht erfüllt“, wie Präsident Ottokar Wüst (Herrenausstatter) förmlich attestierte, sondern den 72.000 im Olympiastadion eine gute Unterhaltung geboten. Gerade das aber fand Verteidiger Martin Kree „besonders brutal“. Er, der ob seiner zuletzt guten Leistungen vielfach umworbene und Kritiker der Vereinslinie des permanenten Gesundschrumpfens, hätte „lieber schlecht gespielt und gewonnen“.
Der interne Streit, den Insider bei den Ruhrgebietlern aufkommen sehen, scheint in Frankfurt erst einmal gebannt. Lange hatte die Mannschaft den gut besoldeten Star aus Ungarn als persona non grata behandelt. Vor Wochen dann kam es zum Eklat, weil der patriotisch Gesinnte beim Training mit extra angefertigten Schuhen auflief, die rot -weiß-grün in den Landesfarben gehalten waren. Der Hohn der Kollegen Balldilettanten traf Detari tief, offen schimpfte er auf „diese Amateure“ und bekundete Abwanderungsgelüste.
Vorbei, jetzt, wo selbst der letzte im Team gemerkt haben müßte, daß er schließlich von den Künsten des Ungarn nur profitieren kann? Vorbei schon deshalb, weil Präsident Gramlich über einen Verkauf nur dann diskutieren will, „wenn einer die Summe wie für den Gullit hinlegt“. Der aber kostete den AC Mailand 18 Millionen Mark. Auch wenn der Unterschied zwischen Bochum und Frankfurt am Samstag nur Detari hieß, das scheint dann doch ein bißchen viel.Thömmes
Bochum: Zumdick - Woelk - Oswald, Kree - Rzehaczek, Heinemann, Iwan, Reekers, Legat - Nehl (63. Epp), Leifeld
Frankfurt: Stein - Binz - Körbel, Schlindwein - Kostner (70. Klepper), Sievers, Schulz, Detari, Roth - Friz (78. Turowski), Smolarek
Tor: 0:1 Detari (81.)
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