DIE NATUR DES NEGERS ALS SOLCHEM

■ Porgy and Bess im Theater des Westens

DIE NATUR DES NEGERS ALS SOLCHEM

„Porgy and Bess“ im Theater des Westens

Endlich zeigt uns das Theater des Westens wie der Neger als solcher liebt, lebt und stirbt, wie er tanzt, wie er lacht, wie er trauert und trotzdem „unverwüstliche Frohnatur“ (Gershwin) bleibt. Und vor allem singt er immer, der Neger. Und zwar trotz der schmutzigen Noten, trotz aller Synkopen, trotz gelegentlicher Buschtrommelbegleitung in durchaus zivilisierter, vollendeter abendländischer Gesangstechnik, mit samtigem Timbre, apartem Tremolo in strahlendem Tenor, glockenhellem Sopran oder kultiviertem Bariton.

1935, als George Gershwins „Volksoper“ „Porgy and Bess“ ausgerechnet im „Colonial Theater“ in Boston uraufgeführt wurde, zu einer Zeit als die Rassentrennung in den Theatern Amerikas noch generell üblich war, war es sicher nichts weniger als revolutionär, eine Opernbühne mit lauter Schwarzen aus der „Catfish Row“ in Charleston zu bevölkern und erstmals das Kulturelle im Wilden zu zeigen.

„Die Personen in Gershwins Oper singen ihre Scherz- und Trauerlieder, ihre Songs und Spirituals, weil sie sich in ihnen ebenso natürlich (oder sogar noch deutlicher und vor allem intensiver) ausdrücken als mit dem gesprochenen Wort. Um die dafür erforderliche vollkommene Identifizierung des Sängers mit der darzustellenden Figur zu erreichen, hat Gershwin ausschließlich Schwarze für die Gesangsrollen seiner Oper verpflichten lassen, Menschen, die den Gesang wirklich noch als einen gesteigerten emotionalen Prozeß empfinden.“ So schreibt einer heute im Programmheft über das Wesen der Schwarzen, die besser singen als reden sollten. Wenn also Götz Friedrich mitsamt seinem Choreographen Jürg Burth heute wieder den ernstgemeinten Versuch unternimmt, uns mittels einer naturalistischen Inszenierung der Oper eines Weißen in die Wunderwelt der Schwarzen einzuführen, wirkt das schaal und abgestanden, wie für die Reservatstouristen jede volle Stunde gegen ein paar Dollar Eintritt aufgeführten Stammestänze federgeschmückter Indianer.

Ins hübsch-verfallene Straßenbühnenbild von Hans Schavernoch stellt Friedrich in aalglatter handwerklicher Perfektion nicht nur stetig lustig winkendes zahlloses Negervolk, sondern auch gleich bis zu drei Besetzungen der Hauptrollen, sodaß letztlich nicht viel mehr als eine Leistungsshow des Theaters des Westens herauskommt, das es geschafft hat, in Berlin ein Ensemble von über 80 Schwarzen zusammen zu kriegen. Und daß der Chor der „Harlem School of the Arts“ engagiert wurde, läßt auch den New Yorker Bürgermeister Ed Koch heftig grüßen.

Indessen hangelt sich das folkloristische Spektakel von Hit zu Hit durch den von Peter Keuschnig dirigierten musikalischen Brei, und der mühsame Weg von „Summertime“ am Anfgang und „I'm on my way“ am Ende wird aufgelockert durch Gewitterblitze, wohlgestaltete Schlägereien, sinnliche Abgründe carmenmäßiger Umarmungen, rüschenbekleidete Mamis, pseudobreaktanzende Jugendliche und eine echte Ziege, die genauso fehl am Platze ist wie all das restliche Authentizitätsgetümmel.

Der Song „It Ain't Necessarily So“ sei während des zweiten Weltkriegs selbst im von Deutschen besetzten Dänemark zum Symbol des Widerstands geworden, erzählt das Programmheft. Nichts, aber auch gar nichts von Widerständigkeit auf irgendeiner Ebene ist im Theater des Westens geblieben, nur Kunstgewerbe mit Erfolgsgarantie. Gabriele Riedle

Bess: Clamma Dale/Janice Dixon/Wilhelmenia Fernandez; Porgy: Donnie Ray Albert/Mic Bell/Terry Cook; Crown: Terry Cook/Allan Evans/Daniel Washington; Clara: Diane Bolden/Charlae Olaker/Gabrielyn Watson; Sportin‘ Life: Eric Lee Johnson/Charles Williams; Maria: Queen Yahna/Marjorie Wharton