Pausenfüller

■ Die Menschenrechtsfrage beim Gipfeltreffen

Pausenfüller

Die Menschenrechtsfrage beim Gipfeltreffen

Der Präsident der Vereinigten Staaten, so versicherte sein Stabschef Howard Baker, werde auch im weiteren Verlauf des Gipfels auf die Einhaltung der Menschenrechte insistieren. Die Menschenrechte in der Sowjetunion, versteht sich, denn die sind in den USA innenpolitisch relevant. Seit Gorbatschow die USA mit Abrüstungsofferten überhäuft, seine Truppen aus Afghanistan zurückzieht, auch anderswo Interesse an der Deeskalation zeigt und die Bruderstaaten an der langen Leine laufen läßt, sind die Menschenrechte in der UdSSR einer der letzten wunden Punkte, die eine antikommunistische Rechte benutzen kann, liebgewordene Feindbilder am Leben zu halten.

In schöner Offenheit hat Reagan im sowjetischen Fernsehen erklärt, warum er sich diese Sorgen zu eigen macht: Jeder achte US-Bürger ist osteuropäischer Abstammung. Das Thema Menschenrechte, so der Präsident, sei deshalb hochsensibel und sehr wählerwirksam. Bleibt die Frage, ob das amerikanische Vorgehen den potentiell Betroffenen dennoch nützt? Gorbatschows Sprecher Gerassimow hat eingeräumt, daß in den letzten 30 Jahren viele Fehler gemacht wurden. Nicht zuletzt mit der Rehabilitierung Sacharows und der Debatte über Rechtssicherheit hat Gorbatschow bereits Zeichen gesetzt, daß auch bei den Menschenrechten ein Wandel möglich ist.

Mit dem Angebot Gorbatschows, eine gemischte Kommission von Oberstem Sowjet und US-Kongreß solle die Menschenrechte in beiden Ländern überprüfen, kann Reagan nun die Probe aufs Exempel machen. Lehnen die Amerikaner das Angebot rundheraus ab, würden sie über ihre eigene Propaganda stolpern. Das Thema Menschenrechte nur als Pausenfüller zu benutzen, um von Versäumnissen in der Abrüstungspolitik abzulenken, fiele auf die Urheber der Kampagne zurück - nicht zuletzt zum Schaden der Betroffenen.Jürgen Gottschlich