piwik no script img

Sprechblasen- Mafia

Sprechblasen

Mafia

Maßnahmen beschleunigen, Umweltsünder aufspüren, härtere Strafen, Reinhaltung verbessern, konzertierte Aktion, Sonderkonferenz der Anlieger, Sondersitzung des Bundestages, Agrarpolitik überprüfen. Dies sind die bisher vorliegenden Vorschläge der Ministerien und politischen Parteien.

Umweltminister Töpfer jettete sofort an die Seehund-Front und ließ sich vor Ort seehundschnauzenstreichelnd fotographieren. Der Minister wußte auch gleich bescheid: Die Robben stürben nicht wegen der toxikologischen Belastung des Meeres, sondern an einer Virusepidemie. „Unabhängig davon“, so Töpfer geschickt, gehe es aber darum, die Belastung der See mit Schadstoffen zu verringern.

Wenig später räumte Töpfer „vorgelagerte Ursachen“ für das Krepieren der Tiere ein, diese müßten jedoch erst erforscht werden. Seine Sprecherin Marlene Mühe wies alle Forderungen nach Sofortmaßnahmen zurück: Erst nach einer genauen Klärung der Ursachen könne über Konsequenzen nachgedacht werden, kurzfirstige Lösungen seien nicht möglich. Auf Sylt teilte Töpfer dann der Reporterschar mit, daß er das Problem „sehr ernst“ nehme, und die Zusammenhänge weiter analysiert würden. Am selben Tag kündigte er eine Sonderkonferenz der Anliegerstaaten an.

Gestern abend traf sich der Umweltminister zu einem „Kamingespräch“ mit den Philosophen Hans Jonas und Walther Zimmerli und diskutierte angeregt über die Frage: „Brauchen wir eine neue Ethik?“

Der neue SPD-Umweltminister Schleswig-Holsteins Heydemann kündigte eine „konzertierte Aktion“ von Industrie, Arbeitnehmern und Umweltverbänden an, um möglichst schnell Maßnahmen zum Schutz von Nordsee und Ostsee zu erreichen. Flächenstillegungen in der Landwirtschaft in küstennahmen Gewässern seien anzustreben. Heydemann warnte vor einem Kollaps des Fremdenverkehrs und forderte „Maßnahmen“ (welche?) zum Schutz des Tourismus.

Nach einer schnellen Eingreiftruppe für Nord- und Ostsee verlangte der Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium, von Geldern. Die „mobile internationale Schutztruppe“ solle mit Schnellbooten und Hubschraubern nach Umweltsündern fahnden, die dann „hart bestraft“ werden müßten. Außerdem: die Nordsee solle zum Sonderschutzgebiet erklärt werden, mehr Kontrollen auf See seien gefragt.

Zum guten Schluß die Bädergemeinschaft Sylt: „Die Algenblüte ist ein seit Jahren beobachtetes Naturereignis, das im Mai und Juni verstärkt auftritt. Das Robbensterben damit in Verbindung zu bringen ist durch nichts begründet“.

-man

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen