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Zum Entspannungsmarathon in Moskau

Sicher: Bislang folgte noch auf jede Entspannungsphase zwischen den Großmächten eine Periode erneuten Waffenklirrens. Das war schon dreimal so seit dem Beginn der Nachkriegs-Eiszeit. Weshalb sollten also gerade die Gipfel -Weltmeister Reagan und Gorbatschow dem Rüstungswahn ein Ende bereiten? Dennoch: Die Gipfelserie ist von historischer Bedeutung, weil sie an einem Wendepunkt im Verhältnis der Supermächte untereinander und zu den jeweiligen Satellitenstaaten stattfindet. Nicht nur die Sowjetunion benötigt dringend Perestroika und Glasnost nach innen und nach außen, um ihre Position als Supermacht in Zukunft behaupten zu können. Auch in der US-Regierung wächst die Einsicht, daß man sich in den letzten Jahren überhoben hat. Die Idee, das „Reich des Bösen“ totrüsten zu können, hat sich als Illusion herausgestellt.

Nachdem der ideologische Mantel des Ost-West-Gegensatzes langsam zerfasert, sehen die US-Politiker klarer, wer die eigentlichen Konkurrenten sind. Längst haben in den Augen vieler Amerikaner Japan und Korea den Platz des Erzfeindes eingenommen. Und besorgt blicken US-Wirtschaftsexperten auf den Konzentrationsprozeß des EG-Kapitals im Vorfeld des angestrebten Euro-Binnenmarktes. Bei der Vorbereitung zum Kampf um riesige neue Märkte in Ostasien und im sowjetischen Machtbereich ist die USA ins Hintertreffen geraten. Schlimmer noch: Die westliche Führungsmacht ist selbst zum Risikofaktor für die Weltwirtschaft geworden, die Armut im ehemals reichsten Land der Erde nimmt Dritte-Welt-Ausmaße an.

Schon befürchten US-Wissenschaftler den schmählichen Niedergang der Supermacht. Die Zweiteilung der Welt sei im Schwinden begriffen. Deshalb sollten die USA sich aus dem Clinch mit der Sowjetunion lösen und rechtzeitig versuchen, in einer neuen, pluralistischeren Weltordnung eine ihren veränderten Möglichkeiten entsprechende wirtschaftliche und militärische Rolle zu finden. Statt Machtkontrolle ist jetzt auch in den USA Herrschaftseffizienz angesagt. So gesehen war die „Reagan-Revolution“ ein letztes Aufflackern hegemonialen Größenwahns. Auch wenn Reagan innenpolitisch nichts mehr zu sagen hat, scheint es ihm zu gelingen, ein pragmatisches Arbeitsverhältnis mit dem Kreml-Chef zu entwickeln - auch hinsichtlich der Regionalkonflikte in Afghanistan, Kambodscha, Naher Osten, Nicaragua, Angola.

Die neue „Vernunft“ der Supermächte bedeutet aber nicht zwangsläufig ein Ende der kriegerischen Auseinandersetzungen in diesen Regionen. Auch der Aufrüstungstrend wird sich fortsetzen. Noch immer bleibt der Ost-West-Gegensatz für die US-Politik bestimmend: Zwar sind die USA und die Sowjetunion „notwendige Partner bei der Verhinderung eines Atomkriegs oder der Eindämmung regionaler Konfikte“, erklärte der politische Unterstaatssekretär Reagans, Michael Armacost: „Aber wir sind immer noch geopolitische Rivalen. Die Sowjetunion wird weiterhin versuchen, unsere strategischen Vorteile zu unterminieren - nur nicht mehr so plump wie früher.“ Das wird sich natürlich auch eine effiziente Weltmacht nicht bieten lassen. Michael Fischer

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