: Beim Aids-Zwangstest gnadenlos
Beim Aids-Zwangstest gnadenlos
Berlin (taz) - Wer in Bayern lebt und im Sinne des dortigen Aids-Maßnahmenkatalogs als „ansteckungsverdächtig“ gilt, dem kann auch kein Gericht helfen, wenn er von einer Behörde zum Aids-Zwangstest geschickt werden soll. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof entschied jetzt, daß Zwangstests rechtmäßig seien, und Rechtsmittel keinen Aufschub des Tests zuließen.
Mit dieser mündlichen Begründung wurde eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts München aus dem Jahr 1987 aufgehoben, die einem Drogenabhängigen einen Aufschub gewährt hatte, der vom Gesundheitsamt zum Test aufgefordert worden war. Zweimal hatte der Mann Aufforderungen zum Test verstreichen lassen, ehe die Behörde ihn zum Zwangsstest geladen hatte. Die Begründung des Gesundheitsamtes für diesen Schritt war das „öffentliche Interesse“ an einem sofortigen Test.
In ihrer Urteilsbegründung stellten sich die obersten Bayerischen Verwaltungsrichter auf den Standpunkt, daß das Bundesseuchengesetz (§31, Absatz eins) die Gesundheitsämter schon bei einem „schwachen Verdacht zur Aufnahme von Ermittlungen nötigt.“ Es gebe darüberhinaus keine stichhaltigen Anhaltspunkte dafür, daß zwangsweise Ermittlungen „die Neigung zu freiwilligen HIV-Tests verringern würden.“ Vielmehr sei es möglich, so die Richter, daß die Zahl der freiwilligen Tests zurückgehe, wenn die Behörden „ansteckungsverdächtigen“ Personen freistellten, „ob und wann sie sich einem Test unterziehen“.
Der Sprecher der Deutschen Aids-Hilfe in Berlin, Eberhard Zastrau bezeichnete es als „generell unsinnig“, gegen Aids das Seuchenrecht anzuwenden. „Mit dieser Entscheidung trägt der Verwaltungsgerichtshof statt zur größtmöglichen Sicherheit für die größtmögliche Zahl von Menschen nur zur immer perfekteren Ausgrenzung weniger Menschen bei.“
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