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Eine Voruntersuchung und kein Tribunal

■ Gespräch mit John Saltman, dem Produzenten des Waldheim-TV-Tribunals A Commission of Inquiry

I N T E R V I E W Eine Voruntersuchung und kein Tribunal

Gespräch mit John Saltman, dem Produzenten des Waldheim-TV -Tribunals „A Commission of Inquiry“

taz: Welche Absicht haben Sie mit Ihrem Waldheim-Tribunal verfolgt?

Saltman: Wir haben versucht, das uns zur Verfügung stehende Beweismaterial qualifizierten Juristen zu einer sorgfältigen Prüfung vorzulegen, wie es sie sonst nicht gegeben hätte. Es wird allgemein zugegeben, daß sich Kurt Waldheim wohl nie vor einem Gericht verantworten muß. Sir Frederick Lawton (ein ehemaliger britischer Berufsrichter, der im TV-Tribunal den Vorsitz führt, d.Red.) hat gesagt, er habe an unserem Unternehmen aus historischen Gründen teilgenommen, weil dies die einzige und vermutlich letzte Gelegenheit bleiben wird, bei der Wehrmachtsoffiziere wie Rothfuchs und Poliza in den Zeugenstand - wenn auch nur im Fernsehen - gegangen sind und ins Kreuzverhör genommen werden konnten. Wir haben versucht, diese Untersuchung so sorgfältig durchzuführen wie es außerhalb eines wirklichen Gerichts nur möglich ist. Sonst hätten die fünf Richter bestimmt nicht mitgespielt.

Was macht für Sie die Einzigartigkeit des Falles Waldheim aus, mit der Sie Ihr Unterfangen rechtfertigen?

Erstens ist Waldheim keine nationale, sondern als langjähriger UN-Generalsekretär eine supranationale Persönlichkeit. Zweitens ist er seit nunmehr zweieinhalb Jahren von den Medien zum großen Teil nur diffamiert worden, ist das Wort „schuldig“ im Zusammenhang mit seinem Namen oft allzu schnell gefallen. Und drittens sind die Zeugen in einem Alter, die eine solche Untersuchung bald unmöglich machen wird. Aus diesen Gründen haben wir nur entschieden, mit einem großzügigen Budget ausgestattet, das Medium Fernsehen zur Analyse der Beweise einzusetzen. Ohne unsere finanziellen Mittel wäre es nicht möglich gewesen, in einer weltweiten Suche all die Zeugen und Materialien aufzutreiben. Wir haben die gleichen Kosten in Kauf genommen, die sonst einem ordentlichen Gericht bei der langwierigen Beweisaufnahme entstanden wären, nur daß wir halt ein kommerzielles Unternehmen sind. Worauf wir uns allerdings nicht einlassen wollten und sollten, ist - wie im Falle Lee Harvey Oswald - einen TV-Gerichtshof über Schuld oder Unschuld des Angeklagten entscheiden zu lassen. Das ist nicht die Rolle des Fernsehens. Wir haben in unserem einzigartigen Fall lediglich die Beweismittel analysiert, wie dies in einer gerichtlichen Voruntersuchung zum Fall Waldheim geschehen wäre.

Mit welchen neuen harten Fakten können Sie aufwarten?

Auch wir haben kein einziges Beweisstück gefunden, das eindeutig ist, für oder gegen Waldheim. Und ich muß Ihnen sagen, daß ich nicht an die Existenz eines solchen Dokumentes glaube. Vielleicht werde ich eines Tages Lügen gestraft, aber nach unseren Anstrengungen glaube ich einfach nicht daran; es sei denn, es kommt von seiten einer Regierung.

Haben Sie dieses Projekt realisiert, weil Sie mit den bisher in Büchern vorliegenden Recherchen oder mit der Historikerkommission nicht zufrieden waren, oder wollten Sie nur das bereits Bekannte in einem neuen Format präsentieren?

Wir haben mit unserem Unternehmen noch vor der Historikerkommission begonnen, von der ich zu ersten Mal erfuhr, als ich Kurt Waldheim im Juli 1986 besuchte, um ihn über unser Vorhaben zu informieren. Anfangs war ich, was diese Historikerkommission anbetrifft, sehr skeptisch, denke aber mittlerweile, daß sie unter den gegebenen zeitlichen und finanziellen Umständen gute Arbeit geleistet hat. Aber die Historikerkommission gibt ja kein Urteil ab, da gehen wir einen Schritt weiter.

Ich bin an die Sache völlig unvoreingenommen herangegangen. Nach der Lektüre all dessen, was über Waldheim geschrieben worden ist, muß ich ihnen jedoch sagen: ich habe selten so unerhörte Beschuldigungen auf der Grundlage so schwacher Beweismittel gesehen wie im Fall Waldheim. Ich war manchmal versucht, meinen Journalistenausweis zu verbrennen. Hier ins Detail zu gehen, war eine interessante journalistische Erfahrung, welch ein unglaublicher Schwachsinn hier geschrieben wurde. Es gibt natürlich auch Herausragendes über den Fall Waldheim. Gut war an unserem Projekt, daß die für unsere Gerichtsverhandlung erforderlichen Beweismittel bei weitem das Niveau einer Recherche überstiegen, bei dem wir Journalisten normalerweise schon mit dem Schreiben beginnen.

Sehen Sie nicht die Gefahr, daß demnächst jeder Fernsehproduzent hingeht und jede x-beliebige kontroverse Figur des öffentlichen Lebens vor seinen Kadi zitiert?

Ich sehe diese Gefahr und habe in der Tat große Angst davor. Das darf nicht passieren. Es gibt nur ganz wenige Leute, vielleicht Marcos oder Idi Amin, die eine solche Behandlung verdient hätten.

Beunruhigt Sie nicht die Tatsache, daß mittlerweile ein kommerzieller Fernsehsender mehr Geld und Ressourcen auftreiben kann als einer offiziellen, von der Regierung eingesetzten Kommission zur Verfügung gestellt werden?

Bitte werfen Sie mir nicht das inadäquate Verhalten von Regierungen vor. Wenn die ernsthaft hinter solchen Untersuchungskommissionen stünden, hätten diese mehr Geld als wir zur Verfügung. Manchmal wundert man sich schon. Denken Sie nur an Leute wie Klaus Barbie nach dem Krieg. Es ist wohl auch wahr, daß Waldheim nach Kriegsende in der Hand der Amerikaner war und daß es darüber eine CIA-Akte gibt.

Eine Akte, die Ihrem Tribunal mit Sicherheit weitergeholfen hätte.

Darüber, ob diese Dokumente vor Gericht aussagekräftig wären oder nicht, können wir nur spekulieren.

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