Harter Fight um Europas Schokoladenriegel

■ Die beiden Schweizer Unternehmen Nestle und Jacobs-Suchard wettschlecken um den britischen Smarties -Hersteller Rowntree / Der Startschuß zu Globalisierung in der europäischen Süßwarenindustrie o

Harter Fight um Europas Schokoladenriegel

Die beiden Schweizer Unternehmen Nestle und Jacobs-Suchard wettschlecken um den britischen „Smarties„-Hersteller

Rowntree / Der Startschuß zu Globalisierung in

der europäischen Süßwarenindustrie offenbart die Mängel in der gegenwärtig noch national definierten

Kartellgesetzgebung und Übernahmepolitik der Regierung

Thatcher

Aus London Rolf Paasch

Im nordenglischen York ließen die PralinensortiererInnen von Rowntree die süßen Dinger ins Leere laufen und protestierten draußen vor dem Fabriktor gegen die Schokoladen-Räuber aus der Schweiz. Vor dem Unterhaus in London skandierten 2.000 MitarbeiterInnen: „Laßt die Finger weg von Rowntree!“ Und drinnen in der Kammer des Volkes beschuldigte Oppositionsführer Neil Kinnock Premierministerin Thatcher des „Ausverkaufs der Insel“. Weil zwei Schweizer Unternehmen, der Nahrungsmittelriese Nestle und der kleinere aber aggressivere Kaffee- und Schokoladenkonzern Jacobs -Suchard gerne den heimischen Süßwarenhersteller Rowntree mitsamt seinen populären Smarties, Kit Kats und After Eight schlucken wollen, bekamen Opposition, Arbeitgeberverband und konservative Hinterbänkler plötzlich patriotische Bauchschmerzen.

Doch nur wenige Wochen später ist der „Sturm in der Kakaotasse“, so der rechte 'Economist‘ schon beinahe wieder vergessen. Der Widerstand gegen eine Übernahme Rowntrees war zusammengebrochen, nachdem der Industrieminister den Schweizern vor zwei Wochen grünes Licht gegeben hatte. Mittlerweile konzentriert sich das Rennen nur noch darauf, wer von den beiden denn nun den kräftigsten Biß hat. Nestle, dessen anfängliches Angebot von neun Pfund pro Aktie von Jacobs-Suchard anschließend um 50 Pence überboten worden war, wird in dieser Woche mit einer Offerte von um die zehn Pfund zurückschlagen; und müßte falls erfolgreich, über 2,5 Milliarden Pfund (rund 6,8 Milliarden Mark) für die gewünschten Sweeties hinblättern. Die Schweizer sind dabei besonders auf die etablierten Markennamen Rowntrees scharf, die in Großbritannien vom Lausebengel bis zum Lord jeder kennt - und schnützt. Kit Kat beispielsweise, jener biskuit -umhüllte Schokoladenriegel, gehört in Großbritannien seit 51 Jahren zur klassenübergreifenden Sweet-Kultur; während After Eight den täglichen Sündenfall des Reihenhausbesitzers darstellt, er in seinem engen Eigenheim eine gewisse CountryHouse-Atmosphäre erzielen möchte.

Rowntrees traditionelles Image täuscht jedoch. Eine Tonne Kit Kat wird mittlerweile mit einem um 50 Prozent niedrigeren Arbeitsaufwand hergestellt, als noch vor fünf Jahren, Zeichen für seine modernisierte Riegelproduktion, auf die es die Schweizer zur Ergänzung ihres auf reine Schokolade spezialisierten Sortiments abgesehen haben. Auch Rowntrees Größe mit einem britischen Marktanteil von 20 Prozent bei um die gleiche Prozentzahl gestiegenen Profiten in diesem Jahr mußt den Raubrittern ideal erscheinen. Denn selbst mit Nestle (drei Prozent) oder Jacobs-Suchard (zwei Prozent) zusammen bestand trotz der lautstarken Proteste nie die ernsthafte Gefahr, vor die britische Monopolkommission zitiert zu werden.

Die britische Regierung hätte sich bei der von ihr vertretenen Ideologie eines totalen Wirtschaftsliberalismus sowie der Struktur der britischen Volkswirtschaft einen Rückschritt in den Protektionismus gar nicht mehr leisten können. Schließlich hat Großbritannien mit 160 Milliarden Pfund nach Japan die zweitgrößten Auslandsanlagen vorzuweisen, haben britische Firmen allein im letzten Jahr 37 Millionen Dollar zum Kauf von US-Firmen ausgegeben. Demnächst, so prophezeien die Marktanalytiker der Londoner Börsenhäuser, werden sich die kaufwütigen Briten verstärkt Europa zuwenden. Mit der Internationalisierung von Managements und Aktionären, so stimmte die 'Financial Times‘ dem Interventionsverzicht der Regierung Thatcher zu, „dürfte das Konzept von britischen, franzöischen oder deutschen Firmen sowieso zunehmend irrelevant werden.“

Die Opposition der Labour Party gegen die Nichtverweisung der Übernahmeangebote an die Monopolkommission brach wohl auch deswegen so schnell zusammen, weil völlig unklar ist, ob die Rowntree-Arbeitsplätze unter britischem Management sicherer sein werden als unter Schweizer Schoko-Direktoren. Als erste aus den Reihen der Übernahmegegner erkannte denn auch die Gewerkschaft GMB, daß ein Zusammengehen mit den Schweizern für die Arbeitnehmer möglicherweise eine größere Arbeitsplatzsicherheit mit sich bringen werde. Sie forderte Rowntree-Chef Dixon in der vergangenen Woche dazu auf, mit den beiden Konkurrenten Verhandlungen über eine „freundliche Übernahme“ zu führen.

Statt auf einen konservativen britischen Chauvinismus zu setzen, so scheint es, sollte sich die Labour-Opposition besser auf eine politische Kampagne zur Formulierung einer supra-nationalen Kartellgesetzgebung konzentrieren, die dann von Brüssel implementiert werden müßte. Denn allein durch das Schwenken der britischen Fahne wird Labour die Unternehmenskonzentration auf europäischer Ebene im Vorfeld von 1992, die sich derzeit vor dem Hintergrund völlig unzureichender und anachronistischer nationaler Kartellgesetze vollzieht, nicht beeinflussen können. So blieb es im Falle Rowntree ausgerechnet der 'Financial Times‘ überlassen, die Aufnahme von Mitspracherechten für die Arbeitnehmer in die von der EG kontrollierten Übernahmeprozeduren zu fordern, damit die take overs nicht allein von den Interessen der Arbitrageure auf den Aktienmärkten dominiert werden.

Die Sieger der ganzen Affäre, dies steht bereits fest, werden mit Sicherheit in der Schweiz sitzen. Denn selbst wenn der ungleich mächtigere Nestle-Konzern (Umsatz 13,5 Milliarden Pfund, 163.000 Beschäftigte) sich die britischen Schokoladenriegel am Ende einverleiben wird, bleibt auch Jacobs-Suchard (1,4 Mrd./32.000) noch ein süßer Trost. Schon beim derzeitigen Aktienpreis würde Suchard aus dem Verkauf seines Aktienpaketes von 30 Prozent an Nestle (bisher 16 Prozent) rund 190 Millionen Pfund Profit schlagen, das ist mehr als der jährliche Handelsprofit des Kaffee- und Schokohauses.

Ob die Labour Party dagegen ihre Lehren aus dem Fall Rowntree gezogen hat, wird sich schon bald herausstellen. Mit Cadbury Schweppes steht schon der nächste britische Getränke- und Schokoladenkonzern auf der Einkaufsliste eines ausländischen Räubers. US-General Cinema, die Flaschenabfüller von Pepsi-Cola halten bereits 18,4 Prozent der Cadbury-Aktien und haben für ihr bevorstehendes Sweets -Shopping bereits einen Kredit aufgenommen.