: Empörungsverklappung
■ Umweltpolitik mit System
K O M M E N T A R E Empörungsverklappung
Umweltpolitik mit System
Dünnsäure-Verklappung“. Das fängt beim Begriff an. Hinter der Semantik-Wolke verbirgt sich das Auskippen von 20prozentiger Schwefelsäure, die zusätzlich mit Chlorverbindungen und Schwermetallen verdreckt ist. Seit den sechziger Jahren wird das trostlose Gemisch über die Schiffsschraube in der Nordsee „verquirlt“. Dünn ist daran allenfalls die Argumentation der Chemie-Industrie, die diesen Vorgang im Vollbesitz ihrer Kräfte als „Entsorgung“ bezeichnet.
Seit dem Wochenende wissen wir, daß der angekündigte Ausstieg aus dieser chronischen Vergiftung nicht so funktioniert, wie Töpfer und sein unseliger Vorgänger verkündet haben. Vordergründig geht es um Probleme mit der Recycling-Technik. Dahinter wird der zarte Po einer systematischen Verarschung der Öffentlichkeit sichtbar. Das System funktioniert so: Eine heftige Umweltsauerei empört die Öffentlichkeit, ein tatkräftiger Umweltminister verspricht Abhilfe, ein fauler Kompromiß wird geboren und als revolutionäre Umwelttat verkauft. Die Öffentlichkeit schluckt die Kröte und die Halbwertszeit der Empörung tut ein Übriges. Ein Jährchen oder auch zwei gehen ins Land. Dann treten - potztausend - plötzlich technische Probleme auf und der faule Kompromiß wird gekippt, die Vergifter kriegen weiteren Aufschub.
Buschhaus (CDU) war ein mustergültiges Beispiel für dieses Vorgehen. Aber längst nicht das einzige. Die Dreckschleuder Ibbenbüren (SPD) ist ein Parallelfall und die „Dünnsäure -Verklappung“ jetzt das aktuellste Beispiel. Bekannt wurde die Dünnesäure-Pleite am Wochenende - zum „Tag der Umwelt“.Manfred Kriener
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen