Wie man Mittelstreckenwaffen zerstört

■ INF-Vertrag regelt in allen Details Vernichtung der Mittelstreckenraketen: Entweder Abschuß in den Himmel oder Sprengung / Der Nuklearsprengstoff wird vorher abmontiert, das Plutonium darf wiederverwe

Wie man Mittelstreckenwaffen zerstört

INF-Vertrag regelt in allen Details Vernichtung der

Mittelstreckenraketen: Entweder Abschuß in den Himmel oder Sprengung / Der Nuklearsprengstoff wird vorher abmontiert, das Plutonium darf wiederverwendet werden

Berlin (taz) - Erstmals in der Geschichte der atomaren Aufrüstung stehen die Supermächte vor dem Problem, ein komplettes Raketensystem zu vernichten. Der mit der Überreichung der Ratifizierungsurkunden in Moskau jetzt in Kraft getretene INF-Vertrag, schreibt in einzelnen Schritten exakt vor, wie die Vernichtung vonstatten zu gehen hat und welche Kontrollmöglichkeiten jeder Seite dabei eingeräumt werden. Nach Abzug der Systeme in den USA bzw. der UdSSR müssen erst einmal an den jeweiligen Stationierungsstandorten die Infrastruktureinrichtungen, die dem Einsatz der Raketen dienten, abgebaut werden. Das sind im wesentlichen die Schutzbunker, in denen die Geschosse geparkt wurden.

Für die eigentliche Vernichtung sind in den USA zwei, in der Sowjetunion acht Standorte vorgesehen. Rakete und Abschußfahrzeuge werden getrennt voneinander demontiert. Die Zerstörung des Abschußfahrzeuges geschieht bei den Amerikanern laut Vertrag durch Zerschneiden oder Zerquetschen, im Klartext: die Dinger kommen in die Schrottpresse.

Für die Raketen selbst sind zwei Zerstörungsformen vorgesehen. Bis maximal 100 Raketen darf jede Seite einfach in den Himmel schießen, die anderen müssen gesprengt werden. Die billigere und auch ökologisch unproblematische Variante ist der Abschuß. Nuklearsprengkopf, Zünder und der sogenannte Wiedereintrittskörper, eine Schutzhülle um den Nuklearsprengkopf werden abmontiert. Das dabei gewonnene Plutonium darf wiederverwendet werden. Die entschärfte Rakete wird dann in den Weltraum gejagt, wo sie bei Wiedereintritt in die Erdatmosphäre ohne Rückstände verglüht.

Die übrigen Systeme müssen am Boden durch Sprengung zerstört werden. Teile, die dabei unzerstört bleiben, werden zerquetscht.

Hauptproblem der Zerstörung am Boden ist der Festtreibstoff der Raketen. Die bei einer Verbrennung freiwerdende Immission ist offenbar so problematisch, daß bislang alle US -Bundesstaaten sich weigern, ihr Territorium dafür zur Verfügung zu stellen. Zuerst, so teilte man der Army mit, müsse diese ein Gutachten erstellen lassen, in dem untersucht wird, ob nicht durch die Verbrennung geltendes Umweltrecht verletzt würde.

Bis Mitte Oktober muß die Army sich zu diesem Problem etwas einfallen lassen, denn dann soll es los gehen. In wenigen Tagen werden jetzt zuerst einmal sowjetische Inspekteure die US- Stützpunkte in Europa besuchen, um sich per Augenschein von den Angaben über Anzahl und Umfang der Mittelstreckenstationierung zu überzeugen. Fällt der Datenabgleich befriedigend aus, kann der Abzug beginnen. Ab dann werden Russen und Amerikaner über jede zerstörte Rakete ein gemeinsames Protokoll anfertigen, durch das der Abbau beglaubigt wird. Nach Abschluß der Raketenvernichtung darf dann jede Seite insgesamt 13 Jahre lang vor Ort kontrollieren, daß nicht illegal erneut die Produktion von Mittelstreckenraketen wiederaufgenommen wird. Jürgen Gottschlich