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Geld nur für die falschen Leute

■ Dieter Bott, 44, Soziologe und jahrelang Mitarbeiter des Frankfurter Fan-Projekts, äußert sich zu Randale, DFB und Gastfreundlichkeit

I N T E R V I E W

Geld nur für die falschen Leute

Dieter Bott, 44, Soziologe und jahrelang Mitarbeiter des

Frankfurter Fan-Projekts, äußert sich zu Randale, DFB und

Gastfreundlichkeit

taz: Sie koordinieren seit einem Jahr die fanbezogenen Aktivitäten zur Europameisterschaft. Was wird es in den zwei Wochen geben?

Dieter Bott: Die Fanprojekte haben im März 87 Vorschläge an die Veranstalter DFB, UEFA und die Städte gemacht. Die Grundidee war: 1. Übernachtungsmöglichkeiten bereitstellen, 2. dem Erlebnishunger der jungen Leute Rechnung zu tragen, also Rockkonzerte, Diskussionen mit örtlichen Fans usw...

...Kultur statt Knüppel.

Wir haben nur an die Gastgeberpflichten erinnert, der DFB hat gesagt: Wir wollen fröhliche Spiele.

Der DFB sagt auch, wer in Urlaub fährt, muß sein Quartier schon selber suchen.

Das gilt aber nicht für alle. Für manche Gäste wird ja ein enormer Aufwand getrieben, beim Organisationskomitee gibt es die Stelle „Unterkunft und Verpflegung“, für die VIPS gibt es Banketts und Buffetts. Es sind die jugendlichen Fans, die vernachlässigt werden. Dafür kann der DFB auch verantwortlich gemacht werden.

Ein Mitarbeiter vom Fanprojekt hat gesagt, wenn nichts angeboten wird, gibt's Ärger.

Da kommen doch eine Menge Jugendliche, für die ist dieser Aufenthalt ein Urlaub, ein Abenteuer. Wenn denen nur die Polizeigarde als Empfangskomitee und der Knast als Jugendherberge geboten wird, dann reduziert das doch die Möglichkeiten, die dieses Fußballspektakel bietet. Wir haben gesagt, laßt uns mit Jugendlichen in die anderen Länder fahren, wir machen Jugendaustausch, laden Gruppen ein. Das ist doch eine offensive Strategie.

Wirkliche Gewalttäter, sagt der DFB, lassen sich auch durch Konzerte und Filme nicht locken.

Ich weiß nicht, wie sich ein ordnungspolitisches Gehirn einen Gewalttäter vorstellt. Da kommen irgendwelche Halbstarke, gehen zum Beispiel in Frankfurt zum Kassenhäuschen, weil sie wissen, das Stadion ist nur dreiviertel voll, und bekommen keine Karten mehr, damit sie nicht in einen „falschen“ Fan-Block rutschen sollen. Die fühlen sich doch verscheißert, und was passiert dann?

In einigen Städten geschieht doch etwas.

Ja, in Stuttgart, Hannover und Gelsenkirchen wird ein Angebot auch an junge Leute gemacht. Der DFB beteiligt sich in zwei Städten mit 5.000 DM am Programm. Für die Verlustierung der „Oberen 10.000“ ist keine Mark zu schade.

Was hätten die Fanprojekte für ihre Ideen gebraucht?

Wenn die Stadt Gelände und sanitäre Anlagen umsonst stellt, für fünf Tage vielleicht 50.000 Mark. Wir haben hier den englischen Konsul angesprochen, ob er nicht was für seine Landsleute springen läßt. Der hat gesagt, er ist eine Behörde Ihrer Majestät und für Zeltlager nicht zuständig.

In den anderen fünf EM-Städten ist für Fans also nichts vorgesehen?

Doch, Polizeieinsätze. Und in Düsseldorf verteilt die Polizei Flugblätter und Luftballons mit dem Aufdruck „Randale ins Abseits“. In Hamburg gibt es ein Fußballturnier. Der DFB will sich nur dort beteiligen, wo auch die Kommune etwas finanziert. Bei uns in Frankfurt sieht die Stadt „keinen Handlungsbedarf“. Wir organisieren jetzt privat etwas, versuchen auch Leute unterzubringen. Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein, eher eine Demonstration unseres guten Willens, daß sich die anreisenden Gäste hier wohl fühlen. Zum Zahlen der Eintrittsgarten und für die Stimmung im Stadion sind die Fans dem DFB recht, ansonsten ein Polizeiproblem. Das wirkliche Problem aber sind die Leute, die ihre Gastgeberpflichten nur Funktionären und Prominenten gegenüber erfüllen.Interview: Thömmes

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