: Kündigungsmarathon gegen BMW-Betriebsrat
■ Landesarbeitsgericht verlangt vor endgültiger Entscheidung von der Firma BMW Beweise für Betriebsfriedensstörung durch gefeuerten Betriebsrat
Kündigungsmarathon
gegen BMW-Betriebsrat
Landesarbeitsgericht verlangt vor endgültiger Entscheidung von der Firma BMW Beweise für „Betriebsfriedensstörung“
durch gefeuerten Betriebsrat
Wie kann die Tatsache, daß ein Betriebsrat Millionär ist, den Betriebsfrieden in der Spandauer BMW-Motorradfabrik gestört haben? Diese Behauptung, mit der die Firma im Juli vergangenen Jahres die Kündigung des Betriebsrats Peter Vollmer zu rechtfertigen suchte, muß die Firmenleitung erst beweisen, bevor das Landesarbeitsgericht über die Rechtmäßigkeit der Kündigung des umstrittenen Betriebsrats entscheidet. Mit einem Auflagenbeschluß vertagte sich das Gericht bis Ende August.
Mit einer „arglistigen Täuschung“, so sieht es die Werksleitung, hatte Peter Vollmers Beschäftigungsverhältnis als Dreher 1979 begonnen. Im Personalbogen verschwieg er nämlich sein Architekturstudium, die abgeschlossene Flachdruckerlehre, die Erfahrung als Betriebsassistent in der Firma seines Vaters und die Tatsache, daß er als Mitbesitzer an dieser Firma über ein Millionenvermögen verfügt. Nur durch diese Täuschung sei es Vollmer möglich gewesen, so argumentierte der BMW-Anwalt Kasper gestern vor Gericht, seinen „Aktivismus“ im Betrieb zu entfalten. Hätte er bei seiner Einstellung seine Vorbildung zur Kenntnis gegeben, wäre er nie in das „auf Lebenszeit angelegte“, „eheähnliche Verhältnis“ zum Arbeitgeber BMW getreten.
Zuletzt witterte die Firma, wie ihr Anwalt darlegte, im Juli 1987 einen Zusammenhang zwischen der „arglistigen Täuschung“, mit der sich Vollmer den Zugang zur Motorradfabrik erschlichen hatte, und einer „Betriebsfriedensstörung“ zwei Monate zuvor. Im Mai 1987 hatten viele BMW-Arbeiter empört auf die vom DGB organisierte Ausstellung „Das halbe Leben“ reagiert, in der ein Zusammenhang zwischen dem Vorgehen gegen die Betriebsräte und nationalsozialistischen Zeiten suggeriert würde. Vollmer hatte zwar mit der Ausstellung nichts zu tun, doch später flatterte ihm erneut eine Kündigung ins Haus. Außer der arglistigen Täuschung wurde ihm nun Spendenbetrug unterstellt, weil er zuvor auf einem Flugblatt gemeinsam mit seinen Kollegen zu Spenden für diverse Kündigungsverfahren aufgerufen hatte. Als die Firmenleitung im Juli mit Hilfe einer Detektei von seinem Millionenvermögen erfahren und dies bekannt gemacht habe, sei die Aufregung über die Ausstellung bereits lange abgeklungen. Eine Störung des Betriebsfriedens wäre auch schlecht möglich gewesen, weil damals Betriebsferien waren.
Seitdem ist Vollmer offiziell „weiterbeschäftigt“ und weiterhin als Betriebsrat aktiv. Von einem gestörten Betriebsfrieden spürt er nichts. Am 28. August soll die Entscheidung im achten gegen den Betriebsrat geführten Kündigungsverfahren ergehen.WvB
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